Monuments Men
Erinnerungsstücke eines gewöhnlichen anständigen Lebens darstellten. Die Fahrt dauerte mehr als eine Stunde. Sie fanden die Fabrik ohne Schwierigkeiten. Als er das Tor des Lagerhauses aufzog, klopfte Harry Ettlingers Herz fast so laut wie an jenem Tag in Belgien, als der Sergeant ihn aus dem zur Abfahrt an die Front bereitstehenden Lastwagenkonvoi herausgeholt hatte. Hier in diesem düsteren und verstaubten Raum befanden sich all die Wunder, die Harry aus seiner Kindheit kannte – Tausende von signierten Original-Exlibris, Hunderte Drucke von deutschen Impressionisten aus der Zeit der Jahrhundertwende und der wunderbare handsignierte Druck einer Radierung des Rembrandts von Karlsruhe. Es war alles noch so, wie Opa Oppenheimer es zurückgelassen hatte.
Der Chauffeur klopfte Harry auf den Rücken und schlug ihm vor, hinauszugehen und zur Feier des Tages etwas zu essen. Er brachte sie zu einem Landgasthof, wo sie frisch gefangene Forellen speisten und sich mit Kirschlikör, einer lokalen Spezialität, zuprosteten. Als sie den Chauffeur schließlich wieder in Baden-Baden absetzten, waren Harry und Ike bester Stimmung. Vielleicht sogar ein bisschen übermütig. Ike, der dem Likör ausgiebig zugesprochen hatte, verfehlte eine Kurve in der Bergstraße, und sie landeten im Straßengraben. Zehn Männer wurden benötigt, um den Jeep wieder auf die Straße zu hieven, wo sie dann entdeckten dass die Bremsleitung gerissen war. Ike wendete und legte dennoch die viereinhalb gefährlichen Kilometer nach Baden-Baden zurück.
Harry war nun unerlaubt abwesend von der Truppe (wofür er ins Militärgefängnis kommen konnte), da er sich nicht um eine Ausgangserlaubnis für Übernacht bemüht hatte. Schlimmer noch war, dass die beiden Männer keinen Schlafplatz hatten. Sie suchten die einzige Person auf, die sie in der Stadt kannten, nämlich Jacques, den Chauffeur, dessen Freundin im besten Hotel der Stadt arbeitete. Sie empfing die beiden am Hintereingang und lotste sie durch das Treppenhaus in jenen Raum, in dem niemand vom Empfang nachsehen würde: die Penthouse-Suite. In dieser Nacht schliefen ein Holocaust-Überlebender aus Auschwitz und ein einfacher Soldat der US-Armee – ein ehemaliger deutscher Jude, der wegen der Verfolgung durch die Nationalsozialisten sein Heimatland hatte verlassen müssen – in Betten, die ursprünglich für den deutschen Kaiser reserviert gewesen waren. Selbst Adolf Hitler und Eva Braun wurde ein solcher Luxus nie geboten.
Einige Wochen später, als Tausende Straßburger Bürger in die Kathedrale strömten, um die wieder eingesetzten Buntglasfenster zu bestaunen, kam eine weitere Ladung mit wertvollen Kunstobjekten mit einem Lastwagen am Heilbronner Salzbergwerk an. Dort verpackten sie Harry Ettlinger und zwei deutsche Bergleute ebenso sorgfältig wie die großen Fenster der Kathedrale und die Gemälde der alten Meister. Doch diese kostbaren Objekte gingen nicht zurück in ein anderes europäisches Land oder an einen Privatsammler, sondern wurden zu einem alten Haus in der Clinton Avenue Nr. 410 in Newark in New Jersey geschickt. Der Schatz der Familie Oppenheimer-Ettlinger war aus dem Krieg wieder nach Hause zurückgekommen.
DIE HANDELNDEN PERSONEN
Nebenfiguren
John Edward Dixon-Spain: Veteran des Ersten Weltkriegs; britischer Monuments Man in der 1. US-Armee zusammen mit George Stout.
S. Lane Faison Jr.: Mitarbeiter im Office of Strategic Services (OSS), dem Vorläufer der CIA; befragte zahlreiche NS-Funktionäre, die an Kunstraubaktivitäten beteiligt gewesen waren.
Dale V. Ford: Innenarchitekt; Monuments Man in der 7. US-Armee nach dem Ende der Kämpfe; arbeitete mit Harry Ettlinger im Heilbronner Bergwerk.
Ralph Hammett: Architekt; Monuments Man in der Communications Zone.
Mason Hammond: Altphilologe; Berater für bildende Künste und Kulturgüter auf Sizilien und inoffiziell der erste Monuments Man.
Albert Henraux: Präsident der französischen Commission de Récupération Artistique.
Thomas Carr Howe Jr.: Direktor des California Palace of the Legion of Honor in San Francisco; war als Monuments Man in Altaussee im Einsatz.
Sheldon Keck: Konservator; Assistent von Monuments-Offizier Walter »Hutch« Huchthausen in der 9. US-Armee.
Stephen Kovalyak: Sporttrainer; Monuments-Offizier, der bei der Räumung verschiedener Kunstdepots zum Einsatz kam.
Bancel LaFarge: Architekt; Kulturgüterschutzoffizier in der 2. britischen Armee und erster Monuments Man, der in der Normandie an Land
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