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Moon

Moon

Titel: Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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sie. »Vielleicht solltest du damit anfangen.«
    Childes preßte die Finger auf die geschlossenen Lider. »Ja«, sagte er nach einer Weile. »Der Traum. Das ist der Schlüssel. Nur, daß ich mir nicht sicher bin, ob es nur ein Traum war, Amy« Er griff nach ihrer Hand, hielt sie fest und blickte zum Fenster hinüber. »Ich habe mich selbst gesehen, als Kind - ungefähr in Gabbys Alter, denke ich, und es war, als schaute ich auf das Kind hinab - auf mich selbst hinab. Ich schien über dem Zimmer zu schweben. Der Junge saß aufrecht im Bett, er hatte Angst, aber gleichzeitig konnte ich da auch ein seltsames Glücksgefühl spüren. Es war noch jemand in diesem Zimmer. Eine Gestalt, im Mondlicht; sie betrachtete den Jungen genau wie ich. Eine Frau. Ich weiß, daß es meine Mutter war.«
    Childes atmete tief ein, und Amy wartete geduldig. Sein Gesicht war angespannt, und das Glitzern in seinen Augen verriet Traurigkeit und Erregung über seine Entdeckung zugleich. Amy zuckte zusammen, als er schließlich hinzufügte: »Aber meine Mutter war damals schon seit über einer Woche tot.«
    »Jon... «
    »Nein, hör zu, Amy. Gabby hat nicht nur geträumt, als sie in dieser Nacht Annabel gesehen hat. Verstehst du? Sie hat meine Gabe geerbt, sie ist medial veranlagt, ein Medium - ich hab' keine Ahnung, wie man es nennt, weil ich das Thema gemieden habe, solange ich lebe. Gabby und ich sind gleich, sie hat diese... Kraft oder diesen
    Fluch von mir geerbt. Und mein Vater - Gott steh ihm bei - mein Vater hat mir damals alle Gedanken daran buchstäblich aus dem Kopf geprügelt. Er weigerte sich, eine derartige Macht anzuerkennen, und von mir verlangte er dasselbe. Ich durfte diese Macht nicht akzeptieren. In meinem Traum habe ich gesehen, wie er in dieses Zimmer kam und den Jungen verprügelte - mich verprügelte -, bis er das Bewußtsein verlor. Und das war nicht das erste, und ich denke, auch nicht das letzte Mal. Er setzte alles, was in seiner Kraft stand, daran, mich so weit zu bringen, daß ich diese Fähigkeit verleugnete, dieses zusätzliche Fühlen. Er zwang mich, diese Kraft aus meinem Verstand zu löschen.«
    »Aber warum denn?«
    »Ich weiß es nicht! Aber ich nahm auch ein Gefühl von ihm wahr, in diesem Traum. Er war durcheinander und wütend - und Gott, ja, er hatte Angst -, aber außerdem war da auch noch... ein Schuldgefühl! Möglich, daß er sich für ihren Tod verantwortlich gefühlt hat, oder...« Er schloß die Augen wieder, konzentrierte und erinnerte sich. »... vielleicht war es auch nur, weil er mit ihrem Sterben nicht hat fertig werden können. Er war ein Säufer, ein Egoist, der sich vor jeder Verantwortung gedrückt hat. Ich glaube nicht, daß er ihre Leiden ertragen konnte, und wahrscheinlich konnte er ihr auch nicht über ihre Schmerzen hinweghelfen. Vielleicht hat er sie sogar schlecht behandelt und sich dann später geschämt. Mein Vater wollte die Erinnerung an sie vollkommen auslöschen, aber meine Visionen, meine Gesichte ließen das nicht zu. Ich habe die Barriere immer wieder eingerissen, die er um seine Gefühle herum aufgebaut hatte.«
    Er unterbrach sich, um wieder zu Atem zu kommen, denn die Worte waren wie eine Flut aus ihm herausgebrochen. »Ich glaube nicht, daß ich je die ganze Wahrheit erfahren werde, Amy. Ich kann dir nur beschreiben, was ich gefühlt habe. Bewußt habe ich alles, was mit dem Übernatürlichen zu tun hatte, von mir gewiesen, eine nur allzu verständliche Reaktion für ein Kind: wenn man ihm ständig sagt, daß das und das falsch oder unnatürlich ist, dann wird es schließlich genau das verinnerlichen, aber die Kraft war nach wie vor da, in mir eingesperrt, irgendwo, aber sie war da. Kannst du dir diesen seelischen Konflikt vorstellen? Ich liebte und vermißte meine Mutter, ich wollte ihren Trost, wollte ihre Nähe - aber da war mein Vater, der mich unter Prügeln zwang, diese Nähe abzulehnen, und damit auch meine besondere Gabe der Wahrnehmung. Vermutlich hat die bewußte Seite meines Verstandes den Kampf schließlich gewonnen, aber es war kein dauerhafter Sieg.«
    Amy löste ihre Hand aus der seinen und berührte sein Gesicht. »Das würde so vieles erklären«, sagte sie und lächelte. »Vielleicht sogar, warum du einen so perfekt logischen Beruf gewählt hast. Das große Wunder daran ist nur, daß du nicht voller Neurosen steckst.«
    »Wer sagt, daß die nicht doch irgendwo stecken?« Voller Anspannung rutschte er im Bett hin und her. »Aber warum ausgerechnet

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