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Moon

Moon

Titel: Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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und ein Daumen.
    Der letzte Gegenstand war ein glatter, weißer Mondstein.

Das Leben ging weiter; das tut es immer.
    Childes wurde zwei Tage lang intensiv von der Polizei befragt und kehrte dann auf die Insel zurück. Seine ExFrau und Tochter wußte er in Sicherheit - sie waren zu Frans Mutter gezogen, die in einem kleinen Dorf wenige Meilen außerhalb Londons wohnte. Er hatte sie bewußt nicht dorthin begleitet, weil er sich keinerlei Eindrücke von dieser Reise einprägen wollte. Diesmal war er den mit den Untersuchungen beauftragten Beamten keine Hilfe gewesen, und er nahm an, daß er es nur dem Detective Inspector (und dessen Fürsprache) zu verdanken hatte, daß er überhaupt hatte abreisen dürfen. Weder der Poststempel (von einem Vorort Londons) noch die ordentliche Handschrift, mit der das makabre Päckchen adressiert worden war, lieferten nützliche Hinweise. Auf der gummierten Umschlagklappe hatten sich nicht einmal Speichelspuren finden lassen, denn es war eine von der selbstklebenden Sorte, und weder auf dem Papier noch auf der darin eingeschlagenen Schachtel konnten deutliche Fingerabdrücke sichergestellt werden. Der bei den abgetrennten Fingern sichergestellte Halbedelstein wurde den Medien vorenthalten: die Polizei wollte nicht auch noch irgendwelche Trittbrettfahrer ermuntern. Daß es eine wahrscheinliche Verbindung zwischen der Entführung und drei anderen, bereits in Untersuchung befindlichen Verbrechen gab, konnte nicht zurückgehalten werden, aber die Behörden lehnten jede weitere Stellungnahme zu diesem Punkt ab.
    Childes profitierte von der Diskretion der Polizei und hatte das Festland bereits verlassen, bevor Außenstehende gewisse Schlüsse ziehen konnten. Sein parapsychischer Kontakt mit dem Mörder war ein wohlgehütetes Geheimnis geblieben. Die Gerichtsmedizin erläuterte in ihrem Bericht, daß die Finger von einem bereits toten Opfer stammten. Allein darin lag so etwas wie Gnade.
    Annabels Leiche wurde nicht gefunden, und Childes hatte keine Visionen von ihrem Verbleib. Er suchte sie ernsthaft mit seinen Gedanken, aber es war sinnlos.
    Eine trügerische Ruhe kehrte ein. Wochen vergingen, ohne daß etwas geschah.

Im Traum sah er auf den dunkelhaarigen Jungen hinab und wußte, daß dieser Junge er selbst war.
    Er saß aufrecht in seinem schmalen Bett, hatte die Decke an sich gerafft, und er war jung, sehr jung. Er sagte etwas, sagte es immer wieder, ein dumpfes Murmeln, wie bei einer sinnlos heruntergebeteten Litanei.
    »... du kannst es nicht... sein...«
    Eine Frau stand am Fußende des Bettes, eine Elfenbeinstatue, bewegungslos im Mondlicht; wie der Träumende betrachtete auch sie den Jungen. Eine schreckliche Aura aus Kummer und Sorge umgab sie, und so, wie der schlafende Beobachter wußte, daß der Junge sein jüngeres Ich war, genauso wußte er, daß diese Frau seine Mutter war. Aber sie war tot.
    »... er... er sagt... das gibt es nicht... du kannst nicht sein...« murmelte der Junge wieder und immer wieder, und die Traurigkeit zwischen Frau und Kind, Mutter und Sohn, wurde unermeßlich.
    Und dann bemerkte der Junge den anderen Beobachter, erschreckt blickt er nach oben, in die dunkelste Ecke des Zimmer. Er sah sich selbst.
    Doch der Augenblick verging, und im Flur draußen waren schwere, schleppende Schritte zu hören. Die Vision seiner Mutter löste sich auf.
    In der Türöffnung stand der dunkle Schemen eines Mannes, unsicher, schwankend, und der Beobachter wurde fast überwältigt von diesem ekelhaften Zorn, der in drohenden Wellen von seinem Vater ausstrahlte - von diesem schuldbewußten Zorn, der die Atmosphäre vergiftete. Childes duckte sich genau wie sein jüngeres Ich, genau wie der Junge, als der Betrunkene die Fäuste hob und ins Zimmer wankte.
    »Ich hab's dir gesagt«, flüsterte der Vater. »Nie mehr! Nie mehr...« Die Schläge prasselten herab, und der Junge kauerte sich unter der Bettdecke zusammen und schrie.
    Childes versuchte einzugreifen, versuchte zu rufen, wollte seinen Vater ermahnen, den Jungen in Ruhe zu lassen, wollte ihm klarmachen, daß er nichts dafür konnte, daß er die Geister-Erscheinung seiner Mutter sah, daß sie zurückgekommen war, um ihn zu beruhigen, ihn wissen zu lassen, daß ihre Liebe nicht mit ihrem vom Krebs zerfressenen Körper begraben worden war, daß Liebe etwas Ewiges war und das Grab keine Falle, kein Gefängniswärter oder Scharfrichter, daß sie ihn immer lieben würde, und er wußte das alles wegen seiner speziellen Begabung,

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