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Moon

Moon

Titel: Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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die ihn sehen ließ... Aber sein Vater hätte sowieso niemals zugehört, sein Zorn überlagerte alle seine anderen Sinne und Empfindungen und machte sie zunichte. Er hatte seinem Sohn eingeschärft, daß es kein Leben nach dem Tod gab und daß die Toten niemals zurückkehren konnten, um die Lebenden zu plagen, und er hatte ihm gesagt, daß seine Mutter voller Haß gestorben war und daß sie ihr langes Leiden verdient hatte, weil Gott der Herr jedem, dessen Herz vom Haß vergiftet war, solches auferlegte, und sie nicht auferstehen und von Liebe reden konnte, nicht sie, nicht ausgerechnet sie, die sie voller Abscheu gegen ihn, ihren Mann, den Vater des Jungen, gewesen sei, und er hatte ihn geschlagen und ihm immer und immer wieder eingeprägt, daß es keine solchen Dinge wie Geister oder Gespenster oder Erscheinungen gab und daß dies sogar die Kirche bestritt - es gab nichts dergleichen, überhaupt nichts, nichts... !
    Das Schreien des jungen wandelte sich zu einem Schluchzen, und die Schläge waren dieses Mal schlimmer als je zuvor. Er sperrte aus, was er sah, verschloß seinen Verstand und diesen siebten Sinn, er wies zurück, was geschah, was geschehen war - und verlor das Bewußtsein.
    Und Childes, der Mann, der träumende Zeuge, wußte, daß sich der Verstand des Jungen vor dem verschlossen hatte, was geschehen würde.
    Er erwachte mit einem erbärmlichen Wimmern, genau wie damals, vor Jahren, als er noch ein Junge gewesen war.
    »Jon, bist du in Ordnung?«
    Amy beugte sich über ihn, und ihre Haare streiften seine Wange. »Du hast einen Alptraum gehabt, wie damals... Du hast wieder diese Worte gesagt, und dann hast du jemanden angebrüllt, du hast geschrien, er solle aufhören.«
    Sein Atem ging ganz flach und schnell, und seine Brust hob und senkte sich in harten, schmerzhaften Bewegungen. Amy hatte die Nachttischlampe eingeschaltet, und ihr süßes Gesicht war (obgleich er die Sorge darin sah) eine Erlösung von dem Alptraum.
    »Er... er hat mich...« flüsterte er.
    »Wer, Jon? Und was ist geschehen?«
    Die Benommenheit wich jetzt rasch von ihm. Childes lag noch einige Sekunden lang reglos da und sammelte seine Gedanken, dann stemmte er sich hoch und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Amy kniete neben ihm. Schatten betonten die sanften Rundungen ihres Körpers, als die Bettdecke bis zu ihrer Hüfte hinabglitt. Sie strich die dunklen Haarsträhnen beiseite, die in seine Stirn hingen.
    »Was habe ich im Schlaf gesagt?« fragte er.
    »Du hast nur gemurmelt, aber es hörte sich an wie: >Es kann nicht...< nein, >du kannst nicht sein<. Du hast es immer und immer wieder gesagt, und dann hast du angefangen zu schreien.«
    Obwohl es spät war, war es nicht kühl; durch das offene Fenster kam nicht der geringste Lufthauch.
    »Oh, Amy, Amy, ich glaube, ich beginne zu verstehen«, sagte er, und es klang wie ein Aufstöhnen.
    Sie nahm ihn in die Arme und legte den Kopf an seine Schulter. »Du machst mir solche angst«, flüsterte sie. »Sag mir, was los ist, Jon, erzähl mir, was du damit meinst. Was beginnst du zu verstehen? Behalt es nicht für dich, bitte.«
    Er streichelte ihren Rücken und nahm die Wärme ihres Körpers in sich auf. Er sprach, und seine Stimme war leise, sanft, und die Worte kamen zuerst zögernd, gerade so, als würde er nur zu sich selbst sprechen.
    »Als Gabby... als sie uns sagte, sie würde... sie würde Annabel sehen... In dieser Nacht... nachdem Annabel entführt worden war... Es war, als würde etwas in mir zu einem neuen Leben erwachen, ein Gedanke, ein Gefühl, eine Erinnerung. Etwas, das lange, lange Zeit verschüttet und verborgen war. Es ist kompliziert, und ich weiß, daß ich es nicht voll und ganz erklären kann, aber ich will es versuchen, und sei es auch nur um meiner selbst willen.«
    Amy richtete sich auf, um seinen Körper zu entlasten.
    »Ich glaube nicht, daß jemand seinen Vater wirklich hassen will«, fuhr er fort. »Und ich... ich darf nicht vergessen, daß er so viele Jahre lang Mutter und Vater für mich war. Möglich, daß Schuldgefühle im Spiel waren, weil ich mich so lange geweigert habe, mir gewisse Tatsachen über mich selbst einzugestehen. Ich weiß nicht, ich - ich suche nur, Amy, ich will ein paar
    Antworten aufspüren, eine Grundlinie, wenn du so willst.«
    Er verstummte, als durchforschte er seine Gedanken -als versuchte er sie zu ordnen, und Amy wünschte sich nichts sehnlicher, als ihm helfen zu können, irgendwie.
    »Dein Traum, Jon«, flüsterte

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