Moony Witcher - Nina 01 und das Geheimnis der Lagunenstadt
sie doch sehr traurig. Dann dachte sie, wenn sie in den Sternenhimmel schaute, an die Gesichter ihrer Eltern, an die langen blonden Haare ihrer Mutter und den schwarzen Schnurrbart ihres Vaters, der sie in die Wange pikste, wenn sie einen Kuss von ihm bekam.
Es hatte schon zwei Uhr geschlagen, aber Nina konnte einfach nicht schlafen, und so beschloss sie, wieder aufzustehen und das Fenster ein wenig zu öffnen, um die frische Mailuft der spanischen Nacht atmen zu können. Von den Jardines del Retiro, dem großen Madrider Park, wehte der Duft der blühenden Bäume herüber, während die Autos über die Via Velazquez rasten und die letzten Gäste des Hotels »Wellington« sich anschickten, zu Bett zu gehen. Das Haus von Ninas Großtanten lag nur ein paar Schritte vom Hotel entfernt und Nina betrachtete oft die Koffer der Reisenden und hoffte, dass sie eines Tages auch verreisen könnte. Verreisen - aber wohin? Plötzlich war Nina klar, was sie gegen dieses komische Gefühl in ihrem Bauch tun musste. »Zu Opa. Ich will zu Opa Mischa nach Venedig fliegen. Der mag mich und es wird nie langweilig mit ihm. Und vielleicht weiß er auch, was das schwarze Muttermal zu bedeuten hat«, meinte Nina, an Adonis gewandt. »Ich schwöre dir, nach dem Frühstück rufe ich ihn an und frage ihn, ob ich ihn besuchen kann.«
Der Hund schnaufte im Halbschlaf und drehte sich mit einem Ruck um, sodass er Platon verjagte, den kleinen roten Kater, den Nina einige Monate zuvor in der Nähe vom Prado-Museum gefunden hatte.
Platon fuhr instinktiv seine Krallen aus und grub sie in Adonis’ Schnauze. Dieser, ganz Gentleman, sah den Kater jedoch nur hochmütig an, stieg vom Bett und machte es sich auf dem Teppich vor dem Schrank bequem. Nina lächelte. Immerhin hatte der vornehme Hund akzeptiert, mit einer streunenden Katze zusammenzuleben, aber manchmal ging er doch lieber auf Abstand.
Nina freute sich schon unheimlich darauf, Opa Mischa vielleicht bald Wiedersehen zu können, auch wenn sie wusste, dass Tante Andora den Besuch nie und nimmer erlauben würde. Sie streichelte Adonis, schloss dann Platon liebevoll in die Arme und krabbelte schließlich unter die Bettdecke. Ein letzter Blick auf den Mond und die Sterne, und dann ließ der Schlaf sie ihre Gedanken und Sorgen vergessen.
Pünktlich um halb acht betrat Carmen das Zimmer mit einem silbernen Tablett in der Hand. Darauf balancierte sie geschickt Milch, Kekse, Blaubeermarmelade, eine Banane und ein großes Glas kaltes Wasser durch den Raum.
»Hermosa, Liebes, wach auf. Das Frühstück ist fertig«, sagte sie und stellte das Tablett auf den kleinen Tisch, gleich neben den Stapel mit den Büchern von Birian Birov.
Nina schlug nur ein Auge auf und versprach der Großtante brummelnd, dass sie gleich aufstehen würde. »Ich trinke die Milch, aber dann muss ich unbedingt Opa anrufen. Weißt du vielleicht, wo mein Handy ist?«
»Das Handy? ... Na ja, das hat Andora leider beschlagnahmt. Du weißt ja, wie sie ist. Sie will nicht, dass du es benutzt. Aber bevor du dich aufregst, schau mal, was ich für dich habe: eine Überraschung.«
Im Nu war Nina auf den Beinen, so schnell konnte nicht einmal der arme Platon reagieren und er plumpste noch reichlich verschlafen aus dem Bett.
Tante Carmen reichte Nina einen Brief, der von der Briefmarke her zu urteilen aus Italien stammen musste. »Der ist für dich, Nina. Er ist von Opa Mischa. Verrückt, dass du gerade heute auch an ihn gedacht hast. Lies ihn doch, während ich mich mal auf die Suche nach deinem Handy begebe.« Carmen zwinkerte verschwörerisch und verließ den Raum.
Nina lächelte und schloss zur Sicherheit die Zimmertür ab. Nicht dass Andora plötzlich auftauchte und wissen wollte, was es mit dem Brief auf sich hatte.
Sie nahm das Wasserglas und leerte es blitzschnell, schnappte sich ein tiefes Tellerchen und goss etwas Milch für Platon hinein, schälte die Banane und biss ein Stück davon ab, ehe sie den Rest Adonis gab, der ganz verrückt danach war. Sie wischte sich die Hände an ihrer rosafarbenen Bettwäsche ab und öffnete schließlich den Brief, während Adonis die Pfoten in die Blaubeermarmelade legte.
Neugierig begann Nina zu lesen.
Venedig, 24. Mai
23.455 Uhr - Dogensaal
Moja djevocka, mein liebes Kind,
ich muss dringend mit dir reden. Du gehst nicht ans Handy, und am Festnetzanschluss sagt mir Andora immer du seist nicht da. Ich weiß, dass ihr euch nicht versteht, aber habe Geduld, du wirst nicht mehr lange in
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