Moorehawke 02 - Geisterpfade
woraufhin Razi errötend den Kopf zurückzog. Die blasse Dame zog ihn neben sich auf das kleine Lager aus Decken und schmiegte sich behaglich an ihn. Er legte den Arm um ihren Leib.
»Wer gewinnt?«, fragte er mit Blick auf das Schachbrett.
»Ich«, gab sie zufrieden zurück. »Ashkr hofft, du lenkst mich ab. Er hofft, dass ich auch nur denke mit meiner Hose!«
Bei diesen Worten verdrehte Ashkr die Augen und machte geschwind einen Spielzug, der verheerend aussah. Razi und Embla runzelten die Stirn und beugten sich gemeinsam vor, beide mit gleichermaßen angestrengten Mienen. Sólmundr schnaubte fröhlich, und der Hund auf dem Bett öffnete flüchtig die Augen und seufzte.
»Coinín?« Christopher, der ebenfalls Razi und Embla angestarrt hatte, riss sich von ihrem Anblick los. Úlfnaor bot ihm ein frisch gebackenes Kastanienküchlein an. »Ihr seht hungrig aus«, sagte er sanft.
Mit einem höflichen Lächeln nahm Christopher das Küchlein entgegen, schnappte sofort nach Luft, warf es von einer Hand in die andere und blies auf seine Finger. Wynter lachte, sie glaubte, er übertreibe ein wenig. Úlfnaor sah sie an und hielt einen weiteren Fladen hoch. »Und Ihr?«
Wynter nahm dankend an, quiekte und vollführte prompt dasselbe Gezappel wie vorher Christopher, denn das Küchlein war tatsächlich viel zu heiß, um es anzufassen. Úlfnaor musste Finger aus Stein haben. Die Merroner kicherten, selbst Úlfnaor verzog den Mund.
»Wie garstig von Euch!«, lachte Wynter und biss ab. »Gütiger«,
rief sie dann, erstaunt über die rauchige Köstlichkeit. »Aber das ist ja herrlich!«
Christopher brach sein Küchlein in zwei Hälften, wodurch eine süße Wolke aufstieg. Er sog den Duft tief ein und schloss die Augen. »Mmm.«
»Gut?«, erkundigte sich Úlfnaor.
Verträumt auf sein Gebäck starrend, nickte Christopher.
»Coinín.« Sólmundrs freundliche Stimme schreckte Christopher auf, und zögerlich wandte er sich dem lächelnden Sólmundr zu. »Kommt und setzt Euch zu mir«, lud er ihn warmherzig ein. »Ein wenig zu reden? Ihr und ich?«
Ashkr hob kurz den Kopf, wandte sich dann aber wieder dem Schachbrett zu. Embla, die Hände im Schoß verschränkt, ließ sich nicht ablenken, doch Razi zog ein unglückliches Gesicht.
Ohne erkennbare Regung senkte Christopher einen Moment lang die Lider, dann legte er seinen scón auf die Steine um das Feuer und stand auf. »Es wäre mir ein Vergnügen«, sagte er.
Als Christopher ins Zeltinnere trat, setzte sich Sólmundr unter Schmerzen auf, versuchte, den Hund von seinem Bein herunterzuschieben, und lehnte sich an das Kissen aus Hirschleder in seinem Rücken. Sofort sprangen Ashkr und Razi auf, um ihm zu helfen.
» Amach leat , Boro!« Ashkr schubste den unwilligen Hund vom Bett. Der zog bei dem vergeblichen Versuch, sich unsichtbar zu machen, den zottigen Kopf ein und kroch heimlich, ganz langsam zurück an Sólmundrs Seite.
Etwas atemlos gluckste Sólmundr und streichelte den Hund zwischen den Ohren, woraufhin das Tier den Kopf in seine Hand schmiegte und ihm die schwieligen Finger und vernarbten Handgelenke ableckte. »Dummes Vieh«, murmelte
Sólmundr. »Ich kann ihn anbinden, wenn Ihr wollt.« Er deutete mit der Hand auf zwei Stangen, die hinter dem Bett im Boden verankert waren. Bisher hatte Wynter angenommen, sie wären als Stütze für die Kissen gedacht, doch nun sah sie, dass an jeder davon oben ein Ring und ein Stift angebracht waren, an denen man die Ketten der Hunde befestigen konnte.
Christopher schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Angst vor ihm.«
Vorsichtig schob sich Sólmundr so herum, dass sein Gesicht von den anderen abgewandt war. Dann ließ er sich schwer in sein Kissen fallen und klopfte auf die Decke. Christopher kroch über das Bett und setzte sich neben ihn, und sofort platzierte der Hund mit einem zufriedenen Schnaufen eine massige Pfote auf seinem Schoß, während er den Kopf an Sólmundrs Bauch lehnte. »Worüber möchtet Ihr mit mir sprechen?«, fragte Christopher nun.
Sólmundr beugte sich vor, und in diesem Moment wurde ihre leise Unterhaltung von Ashkr übertönt, der einen von Emblas Zügen monierte, wogegen sie sich lautstark verwahrte.
»Úlfnaor«, setzte Wynter an. »Ich möchte Euch nicht beleidigen …« Sie hielt inne, wartete darauf, dass Úlfnaor ihr gewährte, fortzufahren. Bei Hofe kündigte diese Einleitung an, dass man einen möglicherweise unerwünschten Ratschlag oder Hinweis vorzubringen hatte. Alles hing von der
Weitere Kostenlose Bücher