Moorehawke 02 - Geisterpfade
Christopher zum Stehen und spähte mit entsetzter Miene um Razi herum, woraufhin Wynter Razis Arm ungeduldig aus dem Weg schlug und einen Schritt vortrat. Drei merronische Krieger bildeten einen Halbkreis um das leidende Pferd, und Wynter schob sich zwischen sie, das Schwert nutzlos an der Seite hängend.
Es war ein schönes, stämmiges, kastanienbraunes Tier, mindestens fünfzehn Handbreit hoch und mit mächtigem Brustkorb. Die Hunde hatten ihm den Bauch aufgerissen und in die Kehle gebissen und es dann zurückgelassen, während sie seinen Reiter verfolgten. Seine Gedärme waren um die Hufe gewickelt, und es lag auf den Knien und stieß einen hohen, unerträglichen Klagelaut aus. Wynter sah das Pferd
die Stirn zu Boden senken wie im Gebet; es hatte Blut auf den Lippen und in den Nüstern, und sein Atem kam in kurzen, gequälten Stößen. Das reich verzierte Zaumzeug klirrte bei jedem zitternden Schnaufen.
Razi lief weiter, rempelte Wynter im Vorbeigehen an, Christopher aber stellte sich neben sie, die Miene ausdruckslos, den Blick unverwandt auf das zähnefletschende Wolfsfell gerichtet, das den Rücken des Pferdes schmückte.
»Gütiger«, hauchte Wynter, als das arme Tier versuchte, auf die Füße zu kommen. Sein Huf glitt ab und zog die eigenen Eingeweide noch weiter aus dem offenen Bauch heraus, die langen, verschlungenen Gedärme dampften in der Morgenluft. Erneut stieß das Pferd ein mattes, gepeinigtes Wiehern aus. »Jesus Christus«, flüsterte Wynter, sie spürte Galle in ihrer Kehle emporsteigen. »Salva nos.« Das Tier erschauerte und kippte langsam, mit hilflos zuckenden Beinen zur Seite.
In diesem Augenblick kamen alle gleichzeitig in Bewegung. Wie die Merroner bückte sich auch Wynter über die bedauernswerte Kreatur. Sie half zwei Männern, den Zaum festzuhalten und den Kopf des Pferdes nach hinten zu ziehen, so dass sein Hals gestrafft war. Dann schlitzte ihm eine Frau mit einem schnellen, tiefen Schnitt die Kehle auf.
Das Blut spritzte über den Waldboden und verteilte sich rasch auf dem Laub. Beinahe unmittelbar ließ die schmerzhafte Anspannung im Leib des Tiers nach, es krümmte die starken Beine nach innen, die letzten Atemzüge sprudelten aus der klaffenden Wunde wie Sumpfgas. Wynter trat zurück, doch die beiden Merroner ließen den Zaum noch nicht los, damit der Hals weiterhin gestrafft blieb und das Blut ungehindert fließen konnte. Die Frau streichelte den zitternden Hals des Pferdes, während es langsam sein Leben aushauchte.
Christopher war näher an die wachsende scharlachrote
Lache getreten, seine Stiefel waren blutbespritzt. Er starrte den Wolfskopf an, dessen silberne Zähne ihn im hellen Tageslicht anblitzten.
Loup-Garous , dachte Wynter. Sie betrachtete das Zaumzeug. Sie reisen mit leichtem Gepäck, keine Satteltaschen, kein Bettzeug, kein Zelt . Das gezückte Schwert in der Hand, blickte sie in den Wald. Das bedeutete, sie konnten nicht weiter als einen Tagesritt von ihren Gefährten entfernt sein. Späher also, die von einem Hauptlager aus ihre Kreise ziehen. Auf der Suche. Spione.
Wynter drehte sich zu dem schlimm zugerichteten Pferd um. Spione. Genau wie wir es vorhatten , dachte sie mit Schaudern. Das hätten wir sein können .
Der Lärm vor ihnen hatte sich inzwischen etwas gelegt, Männer und Frauen riefen einander ohne Hast Befehle zu. Das Schreien hatte aufgehört. Über die auf dem Boden kauernden Merroner hinweg suchte Christopher Wynters Blick, und Wynter bedeutete ihm, dass sie zu Razi gehen wollte.
Sie folgten einem breiten, blutbefleckten Pfad aus zertrampeltem Unterholz. Nach einigen Metern gelangten sie zu einem weiteren Pferd, das bereits erlöst worden war; seine Kehle war sauber herausgerissen worden, ein rascher Tod. Die Merroner waren dabei, ihm sein edles Zaumzeug abzunehmen. Mit finsteren Mienen lösten sie die Schnallen und zogen den Sattel von seinem Rücken. Ungerührt wurde das Wolfsfell auf den wachsenden Haufen Loup-Garous-Habseligkeiten geworfen; seine Edelsteinaugen schienen Christopher und Wynter zu folgen, als sie langsam vorbeitappten.
Der Reiter des Pferdes lag ein paar Fuß weiter ausgestreckt zwischen den Bäumen; Hallvor kauerte über dem Leichnam. Úlfnaors Hunde standen daneben, zufrieden hechelnd, schwanzwedelnd. Als sie Christopher und Wynter
hörten, hoben sie die Köpfe, ihre langen Zungen hingen ihnen aus den Schnauzen. Sie waren über und über mit Blut verschmiert, das drahtige Fell rot verklebt. Dann hörte man ein jähes,
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