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Moorehawke 02 - Geisterpfade

Moorehawke 02 - Geisterpfade

Titel: Moorehawke 02 - Geisterpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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Menge und taumelte hinaus in den Hof. Wynter wusste, dass sie ihm folgen sollte, doch stattdessen vergrub sie das Gesicht in den Händen und versuchte krampfhaft, nicht die Bilder zu betrachten, die in ihrem Kopf herumschwirrten. Steif saß Christopher neben ihr, die Hände auf dem Tisch zu nutzlosen Fäusten geballt.
    Um sie herum fluteten Chaos und Tumult, und alle Gesprächsfäden verloren sich in der Ankunft der rußverschmierten Teerbrenner.
     
     
    Jemand klopfte auf den Tisch. »Heda!«
    Wynter erkannte Minnies Stimme, und sie drückte sich die Finger fester in die Augen, inständig hoffend, sie würde wieder weggehen. Christopher legte Wynter die Hand auf den Rücken, hob den Kopf und sah das Mädchen an. »Was ist denn?«, herrschte er sie an.

    »Der dunkle Kerl da hat mir vorhin Geld gegeben, damit ich ein Bad anheize. Das wär jetzt fertig. Wer von euch will zuerst?«
    Wynter spürte, dass sich Christopher dicht zu ihr beugte. »Liebling?« Sein tiefes Murmeln war so warm in ihrem Ohr, dass sie sich am liebsten an ihn gekuschelt hätte und eingeschlafen wäre. »Möchtest du immer noch baden?« Er legte ihr den Arm um die Taille, und Wynter stellte fest, dass sie am allerliebsten einfach hierbleiben würde, in seiner tröstlichen Gegenwart.
    »Lass Ra… lass meinen Bruder zuerst gehen.« In einer einzigen fließenden Bewegung hob sie den Kopf und wischte sich das Gesicht ab.
    »Ist gut. Ich bin gleich zurück.«
    Zu ihrer Enttäuschung stand Christopher auf, schob sich am Tisch vorbei und ließ sie allein, während er sich auf die Suche nach Razi machte.
    Das Gasthaus war jetzt voller Männer, sie lachten und ließen sich krachend auf Stühle fallen, brüllten Bestellungen und erkundigten sich nach Neuigkeiten. Wynter beobachtete das Treiben, als wäre es ein schlecht geschriebenes Theaterstück, unwirklich, weit entfernt und ohne Belang für sie. Ihr Inneres war erfüllt von dunstiger Benommenheit und bar jedes Gedankens. Wieder starrte sie den Mann am Kamin an, ohne ihn tatsächlich zu sehen. Er blickte auf. Sein fehlender Kamerad war zurückgekehrt und setzte sich auf den freien Stuhl. Er nahm einen herzhaften Schluck Apfelmost und fischte sich ein Stückchen Fleisch von seinem Tellerbrot.
    Das Gesicht war so zerschunden, dass Wynter ihn nicht gleich erkannte, doch dann lachte sein Gefährte und sagte laut: »Mich wundert, dass sie überhaupt noch mit dir spricht, so wie du aussiehst, Tosh.«

    In Wynters Magengegend wurde es eiskalt. Tosh. Sie sah den neuen Mann an, nahm ihn jetzt wirklich wahr, lauschte wirklich.
    »Was hat denn mein Aussehen damit zu tun, hä?«, versetzte der höhnisch. »Ist ja nicht so, als tät sie mir einen Gefallen tun.«
    Der erste Mann grinste und sagte etwas, das im Lärm der Schenke unterging. Sein Kumpan allerdings hörte gar nicht richtig zu, sondern sah sich in der Menge um. Rasch fand er Wynter, und sie konnte ihn nur anstarren, unfähig, sich abzuwenden. Zuerst grinste er, zeigte die Zahnlücken, die Ozkar ihm geschlagen hatte – nur ein Mann, der sich über den Anblick einer neuen Frau in einer Welt allzu bekannter Frauen freut. Dann jedoch stutzte er, runzelte die Stirn, und Wynter sah Mordgelüste in seinen Augen aufflackern, als er begriff, wer sie war.
    Genau diesen Moment wählte Christopher, um sich durch die dicht gedrängten Gäste zu schlängeln, über den Tisch zu beugen und sie anzusprechen. Er bemerkte ihren Gesichtsausdruck und drehte sofort den Kopf, um ihrem Blick zu folgen. Wynter war immer noch außerstande, die Augen von dem Mann loszureißen. Es war, als hätte man ihren Körper in einen winterlichen Fluss getaucht und als gefrorene Statue wieder herausgezogen.
    Der Wegelagerer strich sich mit der Zunge über die kaputten Zähne, seine Miene war hart. Er wusste, dass Christopher da war, doch er nahm sich viel Zeit, zu ihm aufzublicken. Als er schließlich den Kopf hob, sah er ihm dreist in die Augen, verzog dann spöttisch die Lippen und zwinkerte Wynter zu.
    Ab da konnte sie ihn nicht mehr sehen, weil ihr jemand die Sicht versperrte. Dieser Jemand setzte sich ihr gegenüber
an den Tisch – Christopher. Absichtlich platzierte er sich genau zwischen Wynter und dem Kamin.
    »Hallo«, sagte er.
    Er streckte die Arme über den Tisch und ergriff Wynters fest geballte Fäuste. Wie im Traum betrachtete sie ihre miteinander verbundenen Hände. Sie hätte ebenso gut ein Falke sein können, der hoch über dem Gasthaus schwebte, so fern kam er ihr vor.

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