Moorehawke 02 - Geisterpfade
auf die Pelze und sah ihm beim Schlafen zu. Ganz langsam sanken auch Ashkrs Lider herab, und die beiden Männer lagen friedlich Seite an Seite, die verschränkten Hände hoben und senkten sich mit jedem von Sólmundrs tiefen Atemzügen.
Razi stand in der Mitte des Zelts und beobachtete sie. »Sólmundr wird eine ganze Weile lang nicht in der Lage sein zu reisen, Ashkr.« Der Angesprochene öffnete die Augen. »Falls Eure Absichten hier in irgendeiner Weise von Eile getrieben sind, dann fürchte ich, müssen sie noch mindestens vierzehn Tage warten.«
Ashkrs Mundwinkel zuckten. »Sól und ich, wir gehen nicht weiter als hier, Tabiyb. Sorgt Euch nicht.«
Razi runzelte leicht verwirrt die Stirn und wechselte einen
besorgten Blick mit Wynter. Die Merroner wollten nicht weiterziehen? Hatte er die gesamte Lage falsch eingeschätzt?
»Sorgt Euch nicht«, flüsterte Ashkr noch einmal und sah Sólmundr mit überraschender Traurigkeit an. Er drückte seinem Freund die schlaffe Hand. Dann schlossen sich seine Augen erneut, und seine ebenmäßigen Züge entspannten sich im Schlaf.
Fragend sah Razi Christopher an, der jedoch betrachtete Ashkr mit einer finsteren Mischung aus Mitgefühl und Zorn. Als er zu Razi aufblickte, schüttelte er beinahe verzweifelt den Kopf und warf weiter die blutigen Instrumente in den Kessel.
Eine eigenartig gleitende Bewegung über ihren Köpfen schreckte sie auf: Die Zeltspitze wurde verschlossen, unsichtbare Hände zogen an den Führungsseilen, und vor ihren Augen verschwand die Sonne hinter den Fellen.
Als sie schließlich Razis Gerätschaften zusammengepackt hatten und hinaus in die frische Luft getreten waren, überfiel sie allesamt Erschöpfung. Das Sonnenlicht und die Hitze trafen sie so heftig, dass Wynter beinahe ins Taumeln geriet. Sie machte einen Schritt rückwärts und hielt sich die Hand schützend über die Augen, während Menschen lärmend und bunt auf sie zukamen. Razis Kessel wurde ihm aus den tauben Händen genommen und zum Feuer getragen, um sein Werkzeug abzukochen. Hallvor trat auf sie zu, sich die Arme trocknend und aufgeregt auf Embla einredend, die für sie übersetzte.
»Hallvor wünscht Euch zu sprechen, Tabiyb. Sie möchte wissen, warum Ihr die Wunde nicht habt geschlossen durch Brennen? Sie sagt, Ihr habt sie zusammengenäht wie ein
Hemd, beide Männer, Wari und Sól. Sie will wissen …« Sie legte den Kopf schief, und Wynter las in ihrer Miene, dass ihr allmählich etwas auffiel. Sie raunte Hallvor etwas zu, die in ihrem Gestikulieren und Schnattern innehielt und Razi zum ersten Mal ansah. Er nahm überhaupt nichts wahr, kniff nur die Augen gegen die Helligkeit zusammen und schwankte sacht mit einem leeren, seligen Ausdruck auf dem Gesicht. Die Heilerin lächelte und wandte sich ab. Später bedeutete ihre Geste.
Als nun Embla die Hand auf Razis Arm legte, zuckte er, als bemerkte er sie jetzt erst. »Embla«, sagte er überrascht.
»Ja, Tabiyb.« Sanft strich sie ihm die Locken aus dem blutverschmierten Gesicht. »Kommt.« Widerstandslos ließ er sich von ihr an den Tisch führen, auf dem das Waschzeug lag und Schüsseln voll frischem Wasser sanft im Morgenlicht dampften. »Wir haben genommen Eure Sachen aus den Taschen – Kleider, Umhänge, Decken. Wir haben herausgewaschen den Feuergeruch. Bald sie sind trocken, dann habt Ihr und Eure Familie saubere Sachen, ja?«
Sie drehte sich zu Wynter um und bedeutete ihr freundlich, ihr zu folgen. Wynter nickte und blickte sich suchend nach Christopher um. Er hatte sich durch die dichte Menschenmenge hindurch auf den Weg zum Fluss gemacht. Die Leute klopften ihm auf die Schulter und redeten auf ihn ein, er aber schüttelte sie ab und hob die Hand, um ihre Fragen mit müder Gereiztheit abzuwehren. Mit zusammengezogenen Augenbrauen blickte Wynter ihm einen Moment lang nach, dann ging sie zu den anderen.
Razi stand neben dem Waschtisch wie ein verlorenes Kind, ganz benommen vor Entkräftung. Wynter sah, wie Embla ihn an den Schultern auf einen kleinen Schemel drückte, sich eine der Kupferschüsseln nahm und begann, Seife auf ein
Stück Tuch zu reiben. Dann kniete sie sich zwischen Razis gespreizte Beine, nahm seine Hand und wusch ihm bedächtig das Blut von den Fingern. Razis Augen tasteten Emblas Gesicht ab, und Wynter konnte zusehen, wie der Rest der Welt für ihn verblasste.
Ein Mann näherte sich mit einem Tablett voller kleiner Holzschüsseln und stellte es auf den Tisch. Eine der Schalen stellte er neben
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