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Moorehawke 02 - Geisterpfade

Moorehawke 02 - Geisterpfade

Titel: Moorehawke 02 - Geisterpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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Sonnenlicht. »Tabiyb«, flehte er. »Sólmundr, er … Sól …« Er starrte auf das weiße, reglose Gesicht des Kranken und stieß ein hilfloses Geräusch aus. »Sól!«
    Alle verharrten einen Moment lang mit verständnislosen Mienen. Wynter betrachtete Sólmundrs Hand, die neben ihrem Knie festgebunden war; seine langen, bleichen Finger
waren nicht mehr verzweifelt in den Boden gekrallt, sondern lagen nun ruhig und flach, die Fingernägel schmutzig von der Erde. »Oh«, entfuhr es ihr.
    Razi drückte die blutigen Finger in Sólmundrs Leiste. Er neigte den Kopf, und seine Lippen teilten sich, als lauschte er einem fernen Geräusch. Ganz ruhig wartete er einen Moment lang dort im brennenden Sonnenschein. Dann wandte er sich wieder Ashkr zu. »Er hat das Bewusstsein verloren«, erklärte er ihm. »Sonst nichts. Sól geht es gut, Ashkr. Legt ihm die Hand auf die Brust. Spürt Ihr seinen Atem?«
    Ashkr nickte, dicke Tränen schimmerten in seinen Augen, und er sah Razi so gebannt an, als würden seine Worte und nur seine Worte Sólmundr am Leben erhalten.
    »Lasst Eure Hand dort liegen, Ashkr«, sagte Razi. »Dann könnt Ihr ihn atmen und sein Herz schlagen fühlen, und dann seid Ihr gewiss, dass er noch bei uns ist.«
    Da fiel Ashkrs Blick auf die rote Wunde in Sólmundrs Unterleib.
    » Ashkr! «
    Die dunkelblauen Augen schnellten zurück zu Razi.
    »Seht nur Sóls Gesicht an. Nur Sóls Gesicht, so ist es recht. Er wird schon bald wieder zu sich kommen, und dann möchte ich, dass er Eure Augen sieht, nicht Euer Ohr.« Razi lächelte den gepeinigten Mann sanft an, und Ashkr gehorchte widerspruchslos.
    »Lasst uns das ausnutzen, solange es geht«, murmelte Razi nun, und ohne weitere Verzögerung steckte er die Hand tief in die klaffende Wunde.
    Christopher beobachtete mit ruhiger, unbewegter Aufmerksamkeit, wie Razi in der Öffnung herumtastete, doch Wynter musste den Kopf abwenden. Bestürzt stellte sie fest, dass sie schon ein Würgen im Hals spürte.

    »Wenn du dich übergeben musst«, bemerkte Razi gelassen, »dann geh bitte nach draußen.«
    Wynter schniefte und biss die Zähne zusammen. Schon wollte sie ihm sagen, dass es nicht notwendig sei, als sie feststellte, dass er mit Christopher sprach. Der hatte in der Zwischenzeit ein hauchzartes Grün angenommen und hockte vornübergebeugt mit riesigen Augen neben dem Kranken, während er sich alle Mühe gab, einen unerwarteten Übelkeitsanfall niederzukämpfen. Wynter konnte nicht anders – sie musste grinsen. Christopher sah sie an. Gequält blies er die Wangen auf, wandte Sólmundr den Rücken zu und atmete tief ein und aus, um sich wieder zu fangen.
    Hallvor und Wynter lächelten einander an.
    »Chris«, bat Razi. »Retraktoren.«
    Sofort war Christopher wieder bei der Sache, wenn auch immer noch heftig schluckend, und klemmte zwei weitere Winkel fest, die Wynter auf ihrer Tafel vermerkte.
    Razis Gesicht verzerrte sich. »Mist«, schimpfte er. »Ich kann es nicht …« Angestrengt wühlte er in Sólmundrs Bauchhöhle herum. »Wo bist du?«, brummte er. »Wo bist du, du verwünschte, infernalische, pockenverseuchte Missgeburt von einem missratenen Höllenbalg.«
    »Du lieber Himmel, Bruder!«, rief Wynter erschrocken. Selbst Christopher vergaß bei diesem grässlichen Fluch kurz seine Übelkeit.
    Razi jedoch sah sie nur mit wütenden braunen Augen an und grummelte ungeduldig, während er weiterhin Sólmundrs Organe abtastete. Allmählich nahm seine Miene einen verzweifelten Ausdruck an. »Verflucht sollst du sein! Also gut, dann probiere ich die andere Seite … Oh! … ha!« Sein Gesicht erhellte sich in reiner, fast kindlicher Freude. »Da bist du ja, du verabscheuungswürdiges, eitriges …« Plötzlich
zuckte Sólmundr, und Razi erstarrte. Der Bewusstlose machte ein knirschendes Geräusch und bäumte sich gegen die straffen Fesseln auf. »Verdammt«, sagte Razi.
    Ashkr warf ihm einen kurzen Blick zu, dann beugte er sich über das nun entsetzlich wache Gesicht seines Freundes.
    »Hallvor.« Erneut beugte sich Razi über die Wunde. » Hallvor ! Ich kann nichts sehen, gottverflucht! Sehr gut, so ist es recht, durchhalten. Wir sind beinahe fertig. Mehr Retraktoren, Chris.«
    Sólmundrs weit gespreizte Hände ruckten an den Lederschnüren, sein gesamter Körper verkrampfte sich. Jäh schrie er auf Hadrisch: »Nein! O nein!« Dann stammelte er auf Merronisch vor sich hin.
    Wynter musste seine Worte nicht verstehen, um zu wissen, dass er sie anflehte,

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