Mops und Möhren
sage ich und greife nach dem BH. Ich preise den Gott der Büstenhalter für meine Jungs, die a) meine Körbchengröße kennen und b) wissen, dass viel Watte nötig ist. Der BH ist so raffiniert geschnitten, dass die Einlagen gar nicht zu bemerken sind. Es dauert nur Millisekunden, dann habe ich den schönsten BH aller Zeiten an – und plötzlich tatsächlich einen BUSEN!
»Lecker«, meint Chris und schiebt mich zum Schminktisch. »Wenn Arne da nicht sofort über dich herfällt, dann ist er schwul.«
»Haaaach«, macht Rolf. »Wäre ja schon auch ein Zuckerschneckchen, unser Tierarzt.« Chris wirft ihm einen gespielt bösen Blick zu.
»Keine Angst, Schatz.« Rolf drückt Chris einen fetten Kuss auf die Wange. »Der ist so, so, so hetero!«
»Zum Glück!«, werfe ich ein.
»Du bist still«, kontert Chris und klatscht mir die Puderquaste auf die Stirn. Ich ergebe mich, schließe die Augen und genieße. Chris Finger huschen über mein Gesicht, tupfen hier, streicheln dort. Ich spüre schmale Pinsel, dicke Pinsel, mache gehorsam die Augen auf und lasse mir die Wimpern tuschen, ich blecke die Lippen, bis das Gloss sitzt – und erkenne die Frau, die mir eine knappe halbe Stunde später aus dem Spiegel entgegensieht, kaum wieder. Keine Falten, kein Pickel, makellose Haut, strahlende Augen und Lippen, die einfach geküsst werden müssen. Chris hat ganze Arbeit geleistet! Dasselbe tut er auch mit meinen Haaren – zum makellosen Gesicht kommt dank Chris’ Zauberhänden eine Lockenmähne, die genau so aussieht, wie sie soll: nämlich rein zufällig entstanden.
»Wieso arbeitest du eigentlich nicht als Friseur?«, frage ich und schüttele die Pracht auf meinem Haupt.
»Weil ich was verdienen und nicht für einen Sklavenlohn den ganzen Tag fettige Haare schneiden will«, sagt Chris. »Und weil Pflanzen den Mund halten, wenn man ihnen die Blätter stylt und nicht die ganze Familiengeschichte vor einem ausbreiten.«
»Wär auch ziemlich langweilig!«
»Sag das nicht. Wenn mein Gummibaum mal loslegen würde … was der schon alles gesehen hat.« Ich denke an den Prachtbaum, der neben Chris’ Bett steht.
»Ich glaube, DAS will ich gar nicht wissen!«, schäkere ich. Chris grinst und überlässt mich den Klamotten, die er und Rolf ausgesucht haben. Während ich mich in Schale werfe, machen die Jungs sich stadtfein. Das heißt: Erst sind die Hunde dran. Earl trägt zur Feier des Tages seine Echtlederjacke aus der Mopskollektion, Mudel ist in ein Poloshirt mit dem Aufdruck ›Der will nur spielen‹ gewandet. Ich kassiere von den Jungs Applaus für mein Outfit, von jedem ein Küsschen auf die Wange und die besten Wünsche. Dann klappt die Wohnungstür zu, und es beginnt das Warten. Ich probiere schon mal aus, wie ich am besten auf dem Bett liege, ohne meine Haarpracht in den ersten Sekunden zu plätten. Dann springe ich auf, rase zum Fenster. Kein Arne ist zu sehen. Ich drapiere mich auf der Couch und teste, wie ich die Beine so übereinander schlage, dass es Sharon Stone auf der Leinwand am nächsten kommt. Es gelingt mir nicht mal annähernd, dazu ist der Rock zu eng, und ich gehöre nicht zu den Frauen, die gern freie Sicht auf die Unterhose gewähren. Auch wenn die heute verboten sexy ist! Ich rase wieder zum Fenster und drücke mir die Nase platt. Das Make-up hinterlässt einen runden braunen Fleck auf der Scheibe. Hastig wische ich mit dem Ärmel darüber. Leider fällt mir erst in dem Moment ein, dass ich ein weißes Shirt trage, das nun von einem unschönen Streifen geziert wird.
Die nächsten Minuten gehen dafür drauf, dass ich vor dem Spiegel am Ärmel ziepe und zerre, bis der Fleck nicht mehr zu sehen ist. Der Stoff schneidet jetzt, in anderthalbfacher Umdrehung um den Unterarm, zwar etwas ein, aber das kann ich aushalten. Besser aushalten jedenfalls als das Warten. Wieder gucke ich aus dem Fenster, dieses Mal allerdings vorsichtiger. Kein Arne. Kann ja auch nicht, wenn die Uhr stimmt. Geht die überhaupt? Ja, der Wecker tickt. Aber verdächtig langsam.
Ich beschließe, meine Nerven mit einer Zigarette auf dem Balkon zu beruhigen. Doch kaum habe ich drei Züge genommen, fällt mir siedend heiß ein, dass ein Mund, der wie ein kalter Aschenbecher schmeckt, ganz und gar nicht geht. Ich drücke die Kippe aus und krame im Küchenschrank nach den Strohhalmen. Einen davon stecke ich in die Flasche mit Mundwasser. Ich hab das im Fernsehen gesehen, die Damen dort trinken vorzugsweise mit Strohhalm, um den Lippenstift
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