MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Burdigala auf keinen nennenswerten Widerstand zu treffen. Er ließ das Heer deshalb in einfacher Kolonne marschieren, nicht im geschlossenen Viereck, und er sandte auch keine Kundschafter aus. Unsere gesamte Armee lief in einen perfekt gelegten Hinterhalt, und die Germanen und Gallier löschten die Legionen buchstäblich aus. Cassius selbst und sein erster Legat fielen in der Schlacht. Popillius Laenas schätzt, daß insgesamt etwa fünfunddreißigtausend Römer bei Burdigala ihr Leben ließen.«
»Popillius Laenas hatte demnach das Kommando über Troß und Lager?« fragte Marius.
»Richtig. Er hörte den Schlachtlärm, der vom Wind in das nur nur wenige Meilen entfernte Lager getragen wurde. Von der Katastrophe erfuhr er erst, als eine Handvoll unserer Männer in panischer Flucht dort eintrafen. Er wartete und wartete, aber es kamen keine weiteren Soldaten. Statt dessen kamen die Germanen und die Gallier. Popillius sagt, es seien Tausende und Abertausende siegestrunkener, rasender Barbaren gewesen. Sie hätten die Köpfe römischer Legionäre auf Speere gespießt und wilde Kriegsgesänge gebrüllt. Sie seien alle Riesen, und ihre Haare würden ihnen als dicke gelbe Zöpfe über die Schultern hängen oder steif vom Kopf abstehen, weil sie sie mit Lehm eingerieben hätten. Ein schrecklicher Anblick, sagte Laenas.«
»Ein Anblick, den wir in Zukunft noch öfter zu sehen bekommen werden, Lucius Cornelius«, sagte Marius grimmig. »Aber fahre fort.«
»Es stimmt, Laenas hätte kämpfen können. Aber wozu? Er hielt es für sinnvoller, wenigstens den kläglichen Rest unserer Armee für die Zukunft zu retten. Was er dann auch tat. Er ließ die weiße Flagge hissen und ging persönlich mit umgedrehtem Speer und leerer Scheide vor das Lager, um mit den Häuptlingen der Barbaren zu verhandeln. Sie verschonten ihn und den ganzen Rest der Armee. Sie ließen uns sogar den Troß, weil sie uns zeigen wollten, für was für ein gieriges Pack sie uns halten! Sie nahmen sich nur, was Cassius zuvor ihnen weggenommen hatte.« Sulla holte Luft. »Aber sie ließen Popillius Laenas und die Legionäre unter dem Joch durchgehen. Dann begleiteten sie sie nach Tolosa. Und dort überzeugten sie sich, daß die Römer auch wirklich nach Narbo weitermarschierten.«
»Wir sind in den letzten Jahren viel zu oft unter dem Joch gegangen.« Marius ballte die Fäuste.
»Das ist mit Sicherheit auch der Hauptgrund, warum man in Rom so empört über Popillius Laenas ist. Man wird ihn wegen Hochverrat anklagen, aber wenn ich ihn richtig verstanden habe, will er den Prozeß gar nicht abwarten. Ich glaube, er wird sofort ins freiwillige Exil gehen und an Vermögen mitnehmen, was er kann.«
»Das ist vernünftig, denn so rettet er wenigstens etwas. Wenn er auf den Prozeß wartet, konfisziert der Staat alles.« Marius schlug mit der Faust auf die Karte. »Aber was Lucius Cassius passiert ist, wird uns nicht passieren, Lucius Cornelius! Egal mit welchen Mitteln, wir werden Jugurtha in den Staub zu unseren Füßen zwingen - und dann kehren wir nach Rom zurück und lassen uns vom Volk mit dein Kampf gegen die Germanen beauftragen!«
»Darauf trinke ich, Gaius Marius!« Sulla hob den Becher.
Der Feldzug gegen Capsa war über alle Erwartungen erfolgreich, und der Erfolg war - so die einhellige Meinung - allein der hervorragenden Führung Gaius Marius’ zu verdanken. Da Marius der Reiterei seines Legaten Aulus Manlius nicht traute, weil sich darunter auch Numider befanden, die behaupteten, Männer Roms und Gaudas zu sein, hatte er den Legaten beauftragt, vor seinen Männern so zu tun, als handle es sich lediglich um einen Plünderungszug. Jugurtha wurde deshalb von seinen Spionen völlig falsch informiert.
Der König glaubte Marius hundert Meilen entfernt, da tauchte dieser mit seiner Armee vor Capsa auf. Man hatte Jugurtha nicht berichtet, daß die Römer sich reichlich mit Wasser und Getreide für den Marsch durch das dürre Land zwischen dem Fluß Bagradas und Capsa versorgt hatten. Als die angeblich uneinnehmbare Festung plötzlich von einem Meer römischer Helme umgeben war, ergaben die Einwohner sich kampflos. Jugurtha freilich konnte erneut fliehen. Marius beschloß, den Numidern und besonders den Gaetulern eine Lektion zu erteilen. Obwohl Capsa keinen Widerstand geleistet hatte, erlaubte er seinen Soldaten, die Stadt zu plündern und zu brandschatzen. Alle erwachsenen Einwohner, Männer wie Frauen, wurden mit dem Schwert niedergemetzelt. Die Beute
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