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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Kopfbedeckung schützte das Gesicht in keinster Weise vor der Sonne. Der schlimmste Sonnenbrand war vorüber, aber Sullas helle Haut wurde nicht braun. Die verheilten Stellen waren so weiß wie eh und je. Wenigstens waren seine Arme glimpflicher davongekommen als sein Gesicht. Vielleicht würden sich die Arme und Beine mit anhaltender Bestrahlung allmählich an die Sonne gewöhnen. Aber sein Gesicht? Nie.
    Marius spurte, was in Sulla vorging bei dem Gedanken, mit einem breitkrempigen Hut auf den Feldzug zu gehen. Er setzte sich hin und deutete auf das Tablett mit dem Wein. »Lucius Cornelius, seit ich mit siebzehn in die Legionen eintrat, bin ich immer wieder aus dem einen oder anderen Grund ausgelacht worden. Zuerst war ich zu mager und zu klein, dann zu groß und zu schwerfällig. Ich konnte kein Griechisch. Ich war ein Italiker, kein Römer. Ich verstehe deshalb, wie es dich demütigt, solch eine empfindliche helle Haut zu haben. Aber für mich als deinen Feldherrn ist es wichtiger, daß du gesund und munter bist, als daß du nach außen hin unbedingt etwas darstellst, von dem du glaubst, es deinem Rang schuldig zu sein. Kauf dir diesen Hut! Binde ihn mit dem Halstuch einer Frau fest oder mit Bändern oder meinetwegen auch nur mit einer goldpurpurnen Schnur. Und lach über die anderen! Mach absichtlich eine Schau daraus. Du wirst feststellen, daß es bald niemandem mehr auffällt. Außerdem rate ich dir, eine Salbe oder Creme zu beschaffen, die so dick ist, daß sie deine Haut vor der Sonne schützt. Reib dich damit ein. Und wenn die Salbe nach Parfüm stinkt, ist das schlimm?«
    Sulla nickte grinsend. »Du hast recht, und dein Rat ist trefflich. Ich werde ihn befolgen, Gaius Marius.«
    »Gut.«
    Sie schwiegen. Marius war unruhig und gereizt, aber Sulla merkte, daß diese Gereiztheit nichts mit ihm zu tun hatte. Und auf einmal wußte er den Grund - hatte nicht auch ihn derselbe Gedanke gequält, und litt nicht ganz Rom darunter?
    »Die Germanen«, sagte Sulla.
    Marius nickte. »Die Germanen.« Er streckte die Hand nach seinem Becher mit stark verdünntem Wein aus. »Woher sind sie gekommen, Lucius Cornelius, und wohin ziehen sie?«
    Sulla schauderte. »Sie ziehen nach Rom, Gaius Marius. Wir alle fühlen es in unseren Knochen. Woher sie kommen, wissen wir nicht. Vielleicht sind sie die fleischgewordene Nemesis. Wir wissen nur, daß sie keine Heimat haben, und wir fürchten, daß sie unsere Heimat zu ihrer Heimat machen wollen.«
    »Sie wären Narren, wenn sie das nicht wollten«, erwiderte Marius düster. »Ihre Einfälle in Gallien sind nur ein Vorspiel, Lucius Cornelius. Sie warten noch ab und sammeln Mut. Sie mögen Barbaren sein, aber auch Barbaren wissen, daß sie zuerst gegen Rom ziehen müssen, wenn sie am Mittelmeer siedeln wollen. Die Germanen werden kommen.«
    »Ich stimme dir zu. Aber du und ich, wir sind nicht allein. Ganz Rom fühlt in diesen Tagen so. Eine schreckliche Sorge hat sich breitgemacht, und eine noch schrecklichere Angst vor dem Unvermeidlichen. Auch unsere Niederlagen rütteln das Volk nicht auf. Alles scheint sich gegen uns und zugunsten der Germanen zu verschwören. Sogar im Senat redet man schon, als wäre unser Untergang bereits besiegelt. Einige behaupten, die Germanen seien ein Urteil der Götter.«
    Marius seufzte. »Kein Urteil der Götter, aber eine Prüfung.« Er stellte den Becher hin und faltete die Hände. »Erzähl mir von Lucius Cassius. Die offiziellen Berichte sagen mir wenig, sie klingen so gestelzt.«
    Sulla zog eine Grimasse. »Lucius Cassius hat die sechs Legionen übernommen, die Metellus aus Africa zurückbrachte - was sagst du übrigens zu ›Numidicus‹? -, und er marschierte mit ihnen auf der Via Domitia bis Narbo. Dort ist er wohl nach acht Wochen zu Beginn des Quintilis eingetroffen. Die Soldaten waren ausgeruht, und er hätte schneller vorankommen können, aber keiner wird es ihm verdenken, daß er sie am Anfang eines aller Voraussicht nach anstrengenden Feldzugs schonen wollte. Dank der Entscheidung von Metellus Numidicus, keinen einzigen Soldaten in Africa zurückzulassen, lagen alle Legionen des Cassius zwei Kohorten über der Sollstärke. Er hatte also an die vierzigtausend Fußsoldaten und eine Reiterei, die er auf dem Marsch noch durch unterworfene Gallier verstärkte - insgesamt rund dreitausend Reiter. Eine große Armee.«
    Marius grunzte. »Gute Soldaten.«
    »Ich weiß. Ich habe sie sogar gesehen, als sie das Tal des Po zum Mons-Genava-Paß

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