MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Syrien zurück.
Nun hatte König Antiochus aber auf dem Weg nach Ägypten auch die zu Ägypten gehörende Insel Zypern überfallen und erobert. Ägypten brauchte Zypern, weil die Zyprioten Balken für ägyptische Schiffe und Häuser sowie Getreide und Kupfer lieferten. Nachdem sich Gaius Popillius Laenas von den jubelnden Ägyptern verabschiedet hatte, segelte er nach Zypern. Dort traf er die syrische Besatzungsarmee an.
»Kehrt nach Hause zurück« sagte er zu den Soldaten.
Und sie kehrten nach Hause zurück.
Gaius Popillius Laenas selbst brach in Richtung Rom auf. Dort angelangt, berichtete er dem Senat in seiner ruhigen, freundlichen Art, er habe König Antiochus nach Syrien zurückgeschickt und Ägypten und Zypern ein grausames Schicksal erspart. Ich wollte, ich könnte zum Schluß meiner kleinen Geschichte erzählen, daß die beiden Ptolemaios und ihre Schwester Kleopatra hinfort in Eintracht lebten und herrschten, aber leider taten sie dies nicht. Sie bekämpften sich weiterhin, ermordeten einige nahe Verwandte und ruinierten das Land.
Bei den Göttern, höre ich Dich fragen, warum erzählst Du mir Kindergeschichten? Ganz einfach, lieber Gaius Marius. Wie oft hast Du auf dem Schoß Deiner Mutter die Geschichte gehört, wie Gaius Popillius Laenas einen Kreis um die Füße des Königs von Syrien zog? Na ja, vielleicht erzählen die Mütter in Arpinum diese Geschichte nicht. In Rom kennt die Geschichte von Gaius Popillius Laenas jedenfalls jedes Kind, egal aus welcher Schicht.
Wie also, frage ich, hätte der Urenkel des Helden von Alexandria das Exil wählen können, statt alles auf eine Karte zu setzen und den Prozeß durchzustehen? Wäre er freiwillig ins Exil gegangen, hätte das ein Schuldbekenntnis bedeutet - und ich zum Beispiel glaube, daß unser Gaius Popillius Laenas vor Burdigala richtig gehandelt hat. Um es kurz zu machen: Popillius Laenas blieb und wartete den Prozeß ab.
Der Volkstribun Gaius Coelius Caldus gelobte, nicht eher zuruhen, bis Laenas verurteilt sei. Er handelte im Auftrag einer Clique von Senatoren, die ich nicht namentlich nennen möchte - Du darfst Vermutungen anstellen -, einer Clique, die entschlossen war, die Schuld an Burdigala nicht auf Lucius Cassius’ Schultern ruhen zu lassen. Da das einzige auf Hochverrat spezialisierte Gericht Roms nur im Krieg gegen Jugurtha ermittelt, mußte der Prozeß in der Zenturienversammlung stattfinden, im grellen Licht der Öffentlichkeit also. Sollten die Sprecher der einzelnen Zenturien das Urteil ihrer Hundertschaft also laut hinausrufen, so daß alle Welt es hören konnte? Condemno oder Absolvo? Wie könnte ein Römer, der zu Füßen seiner Mutter die Geschichte von Gaius Popillius Laenas und dem Kreis um die Füße des syrischen Königs gehört hatte, noch rufen: Condemno!?
Aber ließ sich Caldus davon abschrecken? Mitnichten. Er beantragte in der Volksversammlung, die geheime Abstimmung bei Wahlen auch auf Hochverratsprozesse auszudehnen. So konnten die zur Stimmabgabe aufgerufenen Zenturien sicher sein, daß nicht bekannt wurde, wie einzelne Mitglieder gestimmt hatten. Der Antrag wurde angenommen. Alles schien bestens zu stehen.
Anfang Dezember wurde Gaius Popillius Laenas in der Zenturienversammlung des Hochverrats angeklagt. Die Abstimmung war geheim, wie Caldus es gewollt hatte. Aber einige von uns mischten sich unter die Mitglieder der riesigen Jury und flüsterten: »Es war einmal ein vornehmer, tapferer Konsular, der hieß Gaius Popillius Laenas...«, und das war das Ende.
Als die Stimmen ausgezählt wurden, hieß es bei allen Zenturien: Absolvo .
Man könnte sagen, hier hat die Kinderstube der Römer dafür gesorgt, daß Gerechtigkeit geschah.
Das fünfte Jahr
(106 v. Chr.)
Unter den Konsuln
QUINTUS SERVILIUS CAEPIO und GAIUS ATILIUS SERRANUS
A ls Quintus Servilius Caepio den Auftrag erhielt, gegen die Volsker-Tektosagen aus Gallien und ihre germanischen Gäste - die jetzt glücklich wieder ins Gebiet von Tolosa zurückgekehrt waren - zu ziehen, kam das für ihn nicht überraschend. Es war der erste Tag des neuen Jahres. Der Senat hatte sich nach den Feierlichkeiten zur Amtseinführung der Konsuln im Tempel des Jupiter Optimus Maximus versammelt. Und Quintus Servilius Caepio kündigte in seiner Jungfernrede als erster Konsul an, daß er von der neuen römischen Armee nichts wissen wolle.
»Ich werde mit altbewährten Soldaten kämpfen, nicht mit diesem armseligen Haufen besitzloser Plebejer!« rief er unter Beifall und
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