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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Tolosa blieben vergeblich.

    Ein Meldereiter, der mit einer Botschaft nach Narbo unterwegs war, hatte das Pech, die Leichenhaufen an der Straße im Wald östlich von Carcasso zu entdecken. Er eilte zurück nach Tolosa und berichtete Quintus Servilius Caepio von seinem grausigen Fund. Weinend brach Caepio zusammen. Er weinte um Marcus Furius, er weinte um die römischen Soldaten der Kohorte, er weinte um die Witwen und Waisen in Italien, aber am meisten weinte er um die rötlich glitzernden Goldhaufen, um den Schatz von Tolosa, der nun für immer verloren war. Wie konnten die Götter eine solche Ungerechtigkeit geschehen lassen? Er hatte doch eine Glückssträhne, stieß er immer wieder schluchzend hervor. In ein schwarzes Trauergewand ohne Streifen auf der Schulter gehüllt, darunter eine dunkle Tunika, rief Caepio seine Truppen zusammen. Als er ihnen die Nachricht verkündete, die sich gerüchteweise schon im Lager verbreitet hatte, brach er erneut in Tränen aus.
    »Aber wenigstens bleibt uns das Silber«, tröstete er sich und seine Soldaten und wischte sich die Tränen fort. »Es ist genug, daß jeder von euch nach dem Feldzug einen ansehnlichen Betrag mit nach Hause bringen wird.«
    »Ich bin schon für eine kleine Entlohnung dankbar«, sagte ein einfacher Soldat und Veteran zu seinem Zeltgenossen. Sie kamen beide von kleinen Bauernhöfen in Umbrien und waren in den letzten fünfzehn Jahren nicht weniger als zehnmal zum Militärdienst gezwungen worden.
    »Ach ja?« fragte sein Kamerad. Er konnte nicht mehr allzu klar denken, seit er bei einem Kampf mit einem Skordisker eine Kopfwunde davongetragen hatte.
    »Ganz recht! Hast du jemals gehört, daß ein Feldherr sein Gold mit Abschaum wie uns geteilt hätte? Irgendwie findet sich doch immer ein Grund, daß nur er einen Anteil kriegt. Und natürlich das Schatzamt. Er zahlt das Schatzamt aus und sichert sich so den größten Teil des Kuchens. Wenigstens bekommen wir einen Anteil vom Silber, genug war es ja, man hätte daraus einen Berg aufschütten können. Bei der ganzen Aufregung über das verlorene Gold hat der Konsul keine andere Wahl, als uns an dem Silberschatz zu beteiligen.«
    »Ach so«, sagte sein Kamerad. »Komm, wir fangen uns einen schönen fetten Lachs zum Abendessen.«
    Das Jahr ging seinem Ende zu, und Caepios Armee saß tatenlos herum. Es hatte nur einen einzigen Kampf gegeben, und dem waren die Bewacher des Goldschatzes zum Opfer gefallen. Caepio schrieb nach Rom, schilderte die ganze Geschichte, angefangen von den verschwundenen Germanen bis zu dem verlorenen Gold, und bat um Instruktionen.
    Im Oktober erhielt er die Antwort, und sie fiel so aus, wie er erwartet hatte. Er solle mitsamt seiner Armee in der Nähe von Narbo bleiben, lautete die Anweisung, dort den Winter verbringen und im Frühjahr auf neue Befehle warten. Das bedeutete, daß man sein Kommando um ein Jahr verlängert hatte und er Statthalter von Gallia Narbonensis blieb.
    Aber ohne das Gold bedeutete ihm das nicht viel. Caepio war reizbar und trübsinnig, er weinte oft, und seine Offiziere beobachteten, wie er stundenlang leise Worte vor sich hinmurmelnd auf und ab lief. So war er nun einmal, dachten sich die Offiziere, bestimmt galten seine Tränen nicht Marcus Furius oder den toten Soldaten. Caepio weinte allein um das verlorene Gold.

    Zu den Besonderheiten eines derart langen Feldzuges gehört es, daß sich die einfachen Soldaten und die Offiziere in dem jeweiligen Land einrichten, fast als wären sie dort zu Hause. Trotz dauernder Truppenbewegungen, Scharmützel, Raubüberfälle und Schlachten wird das Feldlager allmählich zu einer kleinen Stadt. Die meisten Soldaten finden Frauen, viele der Frauen bekommen Kinder, außerhalb der stark befestigten Mauern siedeln sich Läden, Gasthäuser und fliegende Händler an. Lehmziegelhäuser für die Frauen und Kinder schießen wie Pilze aus dem Boden und bilden ein unübersichtliches Netz von engen Straßen.
    Genauso sah es auch in dem römischen Feldlager bei Utika aus, und auch in dem Feldlager bei Cirta war es nicht viel anders. Marius hatte seine Zenturionen und Militärtribunen sorgsam ausgewählt und nutzte die Regenzeit, in der man nicht kämpfen konnte, zum Exerzieren, aber auch zum Zusammenstellen neuer Achtergruppen für die Zelt- und Essensmannschaften. Und er mußte zahllose Reibereien schlichten, Streithähne trennen, lautstark Unzufriedene in die Schranken weisen, denn das enge Zusammenleben so vieler Menschen für eine so

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