MoR 01 - Die Macht und die Liebe
eine Weile nachdenklich an seiner Hand, dann seufzte er und sagte zu seinem praefectus fabrum : »Am besten begleitest du den Goldtransport, Marcus Furius. In Narbo soll möglichst ein Mann von hohem Rang dabei sein, bis der letzte Barren unter Deck ist.« Er wandte sich an den freigelassenen griechischen Sklaven Blas. »Das Silber ist doch hoffentlich schon auf dem Weg nach Rom?«
»Nein, Quintus Servilius«, antwortete Blas hastig. »Die Transportschiffe, die die schweren Güter heil durch die Winterstürme gebracht haben, sind verschwunden. Ich konnte nur noch ein Dutzend seetüchtiger Schiffe auftreiben, und ich dachte, es wäre besser, sie für das Gold zu reservieren. Das Silber liegt schwerbewacht in einem Lagerhaus, dort ist es vollkommen sicher. Ich denke, je schneller wir das Gold nach Rom verschiffen, desto besser. Wenn wieder geeignete Schiffe einlaufen, werde ich sie gleich für das Silber reservieren lassen.«
»Vielleicht können wir das Silber auch auf dem Landweg nach Rom bringen«, sagte Caepio leichthin.
»Selbst angesichts der Gefahr, daß ein Schiff untergehen kann, Quintus Servilius, plädiere ich für den Seeweg«, sagte Marcus Furius. »Auf dem Landweg lauern zu viele Gefahren von den räuberischen Alpenstämmen.«
»Ja, du hast recht«, stimmte Caepio zu und seufzte. »Es ist fast zu schön, um wahr zu sein. Wir senden mehr Gold und Silber nach Rom, als in sämtlichen römischen Schatzkammern liegt!«
»Ja, Quintus Servilius«, sagte Marcus Furius. »Es ist wirklich ganz wunderbar.«
Mitte des Monats Sextilis fuhren die 450 mit Gold beladenen Wagen in Tolosa los. Sie wurden von nur einer Kohorte begleitet, denn die römischen Straßen waren sicher, sie führten durch ein zivilisiertes Land. Man konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, wann es auf einer römischen Straße zum letzten Mal einen Überfall gegeben hatte. Außerdem wußten Caepios Späher zu berichten, daß sich König Copillus und seine Männer noch immer in Burdigala aufhielten, wahrscheinlich in der Hoffnung, daß Caepio denselben Fehler machen würde, der Lucius Cassius und seinen Soldaten das Leben gekostet hatte.
Als erst einmal Carcasso erreicht war, ging es buchstäblich nur noch bergab, hinunter zum Meer, und der Transport kam merklich schneller voran als bisher. Alle freuten sich, niemand war besorgt. Die Legionäre glaubten schon die salzige Meerluft zu schmecken. Bei Einbruch der Dunkelheit, so wußten sie, würden sie mit den Wagen durch Narbo holpern, und sie dachten an nichts anderes mehr als an Austern, Meeräschen und Mädchen.
Die Angreifer - es waren über tausend Mann - stürmten von Süden her aus dem Wald, der rechts und links die Straße säumte. Im Handumdrehen riegelten sie die Straße vor und hinter dem zwei Meilen langen Zug ab, an dessen Enden sich je eine Hälfte der Begleitkohorte befand. Bevor die Römer wußten, wie ihnen geschah, lagen ihre Soldaten und die Wagenlenker niedergemetzelt im Staub - ein einziges Gewirr von Armen und Beinen.
Es war eine schöne, klare Nacht. Seit Stunden war den Römern auf der Straße keine Menschenseele begegnet, denn die römischen Straßen wurden fast nur für Truppenbewegungen genutzt, und in diesem Teil der römischen Provinz war überdies der Handel zwischen der Küste und dem Landesinneren nahezu eingeschlafen, vor allem seit der Zeit, als sich die Germanen bei Tolosa niedergelassen hatten.
Als der Vollmond hoch am Himmel stand, wurden die Maultiere wieder vor die Wagen gespannt. Einige der Angreifer stiegen auf und lenkten die Wagen, während andere nebenher gingen und die Tiere führten. Hinter dem Waldstück hielten sie sich rechts und fuhren auf einem karg bewachsenen Landstreifen entlang der Küste weiter, wo höchstens Schafe ihre spärliche Nahrung fanden. Als es dämmerte, hatten sie den Têt nördlich liegengelassen, der Wagenzug kehrte auf die Via Domitia zurück und überquerte am hellichten Tag den Pyrenäenpaß.
Auf der Südseite der Pyrenäen schlängelte sich der Zug abseits der römischen Straßen über gewundene Pfade dahin, bis er westlich der Stadt Saetabis den Jücar überquerte. Von dort aus ging es auf dem schnellsten Weg über die große Ebene, einen öden, dürren Landstrich, der sich zwischen den beiden großen Bergketten Spaniens hinzog und den normalerweise niemand durchquerte, weil es dort kaum Wasser gab. Dort verlor sich die Spur des Goldtransports, und alle Nachforschungen nach dem weiteren Schicksal des Schatzes von
Weitere Kostenlose Bücher