MoR 01 - Die Macht und die Liebe
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Sulla kämpfte in der vordersten Linie, mit der führenden Kohorte der führenden Legion, während Marius die taktischen Anweisungen gab und den Kampfplatz so überblickte, daß das Risiko eines Überraschungsmanövers weitgehend ausgeschaltet war. Als die Reihen von Jugurthas Fußtruppen schließlich nachgaben, führte Sulla den entscheidenden Schlag gegen sie, und Quintus Sertorius focht dicht hinter ihm.
Getrieben von dem verzweifelten Wunsch, die Römer ein für allemal loszuwerden, verpaßte Jugurtha den richtigen Augenblick zum Rückzug. Als er dann endlich doch den entscheidenden Befehl erteilte, war es zu spät, und ihm blieb nichts anderes übrig, als weiterzukämpfen. Die Römer spürten, daß sie den Sieg bereits in den Händen hielten, und als sie gesiegt hatten, war es ein ganzer, runder, vollständiger Sieg. Die Armeen der Numider und Mauretanier waren aufgerieben, die meisten ihrer Männer lagen tot auf dem Schlachtfeld. Jugurtha und Bocchus konnten entfliehen.
An der Spitze eines müden, aber jubelnden Heeres ritt Marius in Cirta ein. In Africa würde es keine größeren Kämpfe mehr geben, das war jedem Soldaten klar. Dieses Mal quartierte Marius seine Truppen innerhalb der Stadtmauern von Cirta ein, denn er wollte sich nicht der Gefahr aussetzen, auf dem freien Feld dem Gegner eine Angriffsfläche zu bieten. Er brachte seine Truppen bei unglücklichen numidischen Zivilisten unter, und dieselben unglücklichen numidischen Zivilisten wurden am nächsten Tag als Arbeitstrupps auf das Schlachtfeld geschickt. Sie mußten die Unmengen africanischer Leichen verbrennen und die wenigen römischen Toten in die Stadt schaffen, wo sie ordnungsgemäß bestattet werden konnten.
Quintus Sertorius erhielt den Auftrag, sich um die vielen Orden zu kümmern, die Marius bei einer Versammlung des Heeres nach der Bestattung der Gefallenen verleihen wollte. Außerdem mußte er die Leichenfeier organisieren. Da er noch nie bei einer solchen Zeremonie dabeigewesen war, hatte er keine Ahnung, wie er diese Aufgabe anpacken sollte, aber er war klug und einfallsreich. Er machte einen altgedienten, erfahrenen Zenturio ausfindig und fragte ihn aus.
»Also, was du zu tun hast, junger Sertorius, ist folgendes«, sagte der alte Hase. »Zuerst mußt du alle Orden, die Gaius Marius selbst bekommen hat, herausholen und sie auf dem Podium ausstellen, damit die Männer sehen können, was für ein Soldat ihr Feldherr war. Wir haben gute Jungens, Plebejer hin oder her, aber sie wissen nichts über das Soldatenleben, weil sie aus Familien kommen, die mit dem Militär nie zu tun hatten. Wie sollen sie also wissen, was für ein ausgezeichneter Soldat Gaius Marius war? Ich weiß es! Weil ich nämlich in allen Feldzügen mit Gaius Marius gekämpft habe, seit - hm, seit Numantia.«
»Aber ich glaube kaum, daß Gaius Marius seine Orden mit auf den Feldzug genommen hat«, wandte Sertorius betrübt ein.
»Natürlich hat er das, junger Sertorius!« sagte der altgediente Soldat mit der Erfahrung aus hundert Schlachten und Scharmützeln. »Sie sind seine Glücksbringer.«
Und in der Tat, als Sertorius ihn fragte, bestätigte Gaius Marius, daß er seine Orden auf den Feldzug mitgenommen hatte. Marius schien das Eingeständnis ein wenig peinlich zu sein, bis Sertorius ihm erzählte, was der alte Zenturio über die Glücksbringer gesagt hatte.
Alle Bewohner von Cirta kamen und gafften, und es war eine eindrucksvolle Feier. Die Soldaten marschierten in ihren Paradeuniformen auf, der silberne Adler jeder Legion war mit dem Lorbeerkranz des Siegers geschmückt, genau wie die silberne Standarte jedes Manipels und das vexillum , die Fahne jeder Zenturie. Jeder Soldat trug seine Orden, aber da sie ein neues Heer mit neuen Männern waren, konnten nur wenige der Zenturionen und ein halbes Dutzend Soldaten stolz ihre Armreifen, Halsketten und Schmuckscheiben zeigen. Publius Vagiennius trug natürlich seine silbernen phalerae auf der stolzgeschwellten Brust.
Aber Gaius Marius war doch der Größte, dachte Quintus Sertorius wie geblendet, während er darauf wartete, daß er für den Nahkampf in der Schlacht mit dem goldenen Kranz ausgezeichnet wurde.
Dann kam Sulla an die Reihe und erhielt ebenfalls den goldenen Kranz und einen vollständigen Satz von neun goldenen phalerae für seine Tapferkeit in der ersten Schlacht gegen die beiden Könige. Wie zufrieden er aussah, regelrecht - entrückt! Quintus Sertorius hatte gehört, daß er ein
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