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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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werde ich, Gaius Marius, natürlich! Aber zuerst müssen wir die Sache mit meinen Schnecken erledigen.«
    »Kann das nicht warten, Mann?« fragte Sulla drohend.
    »Nein, Lucius Cornelius, kann es nicht!« beharrte Publius Vagiennius. Damit bewies er, daß er wußte, welche Männer zur obersten Heeresleitung gehörten und wie sie hießen. »Der Weg auf den Gipfel des Berges führt mitten durch mein Schneckenrevier. Es ist mein Schneckenrevier, ich habe es entdeckt! Die besten Schnecken der Welt kriechen dort! Hier.« Er griff nach seinem Proviantbeutel, der ganz unüblich quer über seinem langen Reiterspieß hing, und schnürte ihn auf. Vorsichtig holte er eine fünfzehn Zentimeter lange Schneckenmuschel hervor und setzte sie mitten auf Marius’ Schreibtisch.
    Alle starrten wie gebannt auf die Schnecke, es herrschte völliges Stillschweigen. Da die Oberfläche des Tisches kühl und glatt war, traute sich die Schnecke nach wenigen Augenblicken aus ihrem Schneckenhaus heraus. Sie war nämlich hungrig, und außerdem hatte das Gerüttel in Publius Vagiennius’ Proviantbeutel sie in ihrer Ruhe gestört. Jetzt kroch sie wie ein Kaninchen aus dem Bau. Sie schob nicht den Kopf vor wie eine Schildkröte, sondern hob die Muschel in die Höhe und trat als Ansammlung unförmiger, schleimiger Klumpen in Erscheinung. Aus einem der Klumpen entstand ein spitz zulaufender Schwanz, aus dem anderen ein stumpfer Kopf, aus dem sich trübe Stielaugen wie aus dem Nichts hervorhoben. Als diese Verwandlung vollendet war, begann sie hörbar an dem Mulch zu kauen, den Publius Vagiennius um sie herumgewickelt hatte.
    »Pfah!« entfuhr es Gaius Marius, »das nenne ich eine Schnecke.«
    »In der Tat«, sagte Quintus Sertorius.
    »Davon könnte eine ganze Armee satt werden«, sagte Sulla. Sein Geschmack, was Essen betraf, war eher konventionell, er mochte weder Schnecken noch Pilze.
    »Das ist es!« schrie Publius Vagiennius. »Genau das ist es! Ich möchte nicht, daß diese gierigen mentulae « - bei diesem Wort zuckten seine Zuhörer zusammen - »über meine Schnecken herfallen! Dort oben sind sehr viele Schnecken, aber fünfhundert Soldaten, das wäre das Ende. Ich möchte sie an einen geeigneten Platz in Rom bringen und eine Zucht aufmachen. Und ich möchte nicht, daß mein Schneckenrevier zertrampelt wird. Ich will eine Konzession, und ich will, daß mein Schneckenrevier vor allen cunni in dieser Armee sicher ist!«
    »Das hier ist also ein Heer von cunni «, sagte Marius ernst.
    »Es trifft sich gut«, näselte Aulus Manlius in seinem vornehmen Tonfall, »denn ich kann dir da wohl behilflich sein, Publius Vagiennius. Ich habe einen Klienten aus Tarquinia - in Etrurien, weißt du -, der hat einen sehr exklusiven und teuren Laden auf dem Feinschmeckermarkt - in Rom, verstehst du -, und dort verkauft er Schnecken. Sein Name ist Marcus Fulvius - kein adliger Fulvius, weißt du -, und ich habe ihm vor ein paar Jahren ein bißchen Geld vorgeschossen, damit er auf die Beine kommt. Sein Laden geht sehr gut, und ich könnte mir vorstellen, daß er gerne mit dir ins Geschäft kommen würde, wenn ich mir diese wunderbare - wirklich wunderbare, Publius Vagiennius! - Schnecke so anschaue.«
    »Also abgemacht, Aulus Manlius«, erwiderte der Legionär.
    »Zeigst du uns jetzt endlich den Weg auf den Berg?« drängte Sulla, der immer ungeduldiger wurde.
    »Gleich, gleich«, bremste ihn Vagiennius. Er wandte sich an Marius, der schon seine Stiefel schnürte. »Zuerst möchte ich von meinem Feldherren hören, daß mein Schneckenrevier sicher ist.«
    Marius machte den letzten Knoten an seinem Stiefel und richtete sich auf. Er blickte Publius Vagiennius tief in die Augen. »Publius Vagiennius«, sagte er, »du bist ein Mann nach meinem Geschmack! Du verbindest handfeste Geschäftsinteressen mit treuem patriotischen Geist. Sei unbesorgt, ich gebe dir mein Wort darauf, dein Schneckenrevier ist dir sicher. Und jetzt führe uns bitte auf den Berg.«
    Zusammen mit dem leitenden Ingenieur machte sich die kleine Truppe wenig später auf den Weg. Um Zeit zu sparen, ritten sie, Vagiennius auf seinem besseren Pferd, Gaius Marius auf dem älteren, aber eleganten Roß, das er sonst bei Paraden ritt. Sulla blieb seiner Vorliebe für Maultiere treu. Aulus Manlius, Quintus Sertorius und einer der Ingenieure ritten Ponys aus den Beständen des Heeres.
    Die Spalte war kein Problem für den Ingenieur. »Das ist einfach«, meinte er und blickte den Kamin hinauf. »Ich baue eine

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