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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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vereinbarten Treffpunkt zu reiten, war er in Hochstimmung, voller Selbstbewußtsein und Tatendrang.
    »Jugurtha wird nicht erwarten, dich in Ketten zu sehen«, sagte Bocchus. »Er denkt, daß du um ein Treffen mit ihm gebeten hast, weil du ihn überreden willst aufzugeben. Er hat mich beauftragt, genügend Männer zu deiner Gefangennahme mitzubringen, Lucius Cornelius.«
    »Gut«, erwiderte Sulla kurz.
    Als Bocchus mit Sulla an seiner Seite und einer starken Truppe maurischer Kavallerie hinter sich eintraf, wartete Jugurtha bereits. Er hatte nur einige seiner Befehlshaber bei sich, darunter auch Aspar. Sulla brachte sein Pferd an die Spitze und trabte geradewegs auf Jugurtha zu, hielt, stieg ab und streckte seine Hand in der bekannten Geste des Friedens und der Freundschaft aus.
    »König Jugurtha«, sagte er und wartete.
    Jugurtha schaute auf die dargebotene Hand, dann stieg auch er ab und ergriff sie mit seiner Rechten. »Lucius Cornelius.«
    Während Sulla und Jugurtha sich die Hände reichten, hatte die maurische Kavallerie schweigend einen Ring um die Gruppe gezogen. Jugurthas Gefangennahme ging so schnell und glatt vonstatten, daß selbst Gaius Marius höchst zufrieden gewesen wäre. Die Begleiter des numidischen Königs wurden überwältigt, bevor sie auch nur ihre Schwerter ziehen konnten. Jugurtha wurde niedergeworfen und konnte keine Gegenwehr mehr leisten. Als er wieder auf die Füße gestellt wurde, trug er schwere Fesseln an Händen und Füßen, die durch Ketten miteinander verbunden und so kurz waren, daß sie ihm nur gebücktes Gehen erlaubten.
    Seine Augen waren, wie Sulla im Licht der Fackeln feststellte, erstaunlich hell für einen so dunkelhäutigen Mann. Er war groß und kräftig. Doch an seinem Gesicht, das von einer scharfen Nase beherrscht wurde, waren die Jahre nicht spurlos vorbeigegangen, und er sah wesentlich älter aus als Gaius Marius. Sulla wußte, daß er ihn auch ohne Begleitung dorthin bringen konnte, wo er ihn haben wollte.
    »Setzt ihn auf den großen Braunen«, befahl er Bocchus’ Männern und beobachtete schweigend, wie die Ketten an Metallringen befestigt wurden, die eigens dafür am Sattel angebracht worden waren. Dann überprüfte er die Fesseln und den Sattelgurt. Nachdem man ihm auf einen anderen Braunen geholfen hatte, nahm er die Zügel von Jugurthas Pferd und verknotete sie an seinem eigenen Sattel, so konnte sich Jugurthas Tier nicht losreißen, selbst wenn dieser es antreiben sollte. Die vier Reservepferde wurden mit einem kurzen Seil an Jugurthas Sattel gebunden. Als letzte Sicherheitsmaßnahme kettete Sulla Jugurthas Handfessel an sein linkes Handgelenk.
    Von dem Moment an, da die Mauren Jugurtha auf sein Pferd gesetzt hatten, hatte Sulla kein Wort mehr gesagt. Nun trieb er, immer noch schweigend, sein Tier vorwärts, und Jugurthas Brauner folgte gehorsam, als die Zügel und Ketten, die ihn mit Sulla verbanden, sich strafften. Nach wenigen Augenblicken war die kleine Gruppe im Schatten der Bäume verschwunden.
    Bocchus weinte. Volux und Dabar standen hilflos daneben.
    »Vater, erlaube mir, daß ich ihn einfange!« bat Volux plötzlich. »So beladen, wie er ist, kommt er nicht schnell vorwärts. Ich kann ihn einholen!«
    »Es ist zu spät.« Bocchus nahm das zarte Taschentuch, das sein Diener ihm reichte, trocknete seine Augen und schneuzte sich. »Er wird sich nicht einfangen lassen, der nicht. Wir sind hilflose Kinder im Vergleich zu diesem Römer. Nein, mein Sohn, das Schicksal des armen Jugurtha liegt nicht mehr in unserer Hand. Wir müssen an Mauretanien denken. Es ist an der Zeit, daß wir heimkehren in unser geliebtes Tingis. Vielleicht gehören wir einfach nicht in diese Welt an der Mittelmeerküste.«

    Ungefähr eine Meile lang ritt Sulla schweigend, ohne das Tempo zu verlangsamen. Seine überschwengliche Freude, seine tiefe Zufriedenheit mit seiner glänzenden Tat hielt er ebenso im Zaum wie seinen Gefangenen. Ja, wenn er die Geschichte von Jugurthas Gefangennahme vorsichtig verbreitete und darauf achtete, daß er Gaius Marius’ Verdienst nicht schmälerte, würde sie bald eine jener wunderbaren Geschichten sein, die die Mütter ihren Kindern erzählten - wie die Geschichte vom Sprung des jungen Marcus Curtius in den Spalt auf dem Forum Romanum oder die Geschichte vom Heldenmut des Horatius Cocles, der den pons sublicius gegen die Etrusker unter Porsenna verteidigt und damit Rom gerettet hatte, oder wie die Geschichte von Gaius Popillius Laenas, der den

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