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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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mehrere Söhne zu haben, ohne daß sie einen zur Adoption geben mußten. Und die Mitgift der Tochter war mehr als angemessen.
    Die Meute, die unter dem Dach des Marcus Aurelius Cotta und seiner Frau Rutilia lebte, war also ziemlich reich, und zudem sahen alle auch noch sehr gut aus. Aurelia, das einzige Mädchen, war die Hübscheste von allen.
    »Makellos!« fand Lucius Licinius Crassus Orator, einer ihrer glühendsten Bewunderer und einer der wichtigsten Bewerber um ihre Hand. Er war von rastloser Intelligenz und liebte den Luxus.
    »Herrlich!« schwärmte Quintus Mucius Scaevola, Crassus’ Cousin und bester Freund. Er hatte sich ebenfalls auf die Liste der Freier setzen lassen.
    »Aufregend!« sagte Marcus Livius Drusus. Er war Aurelias Vetter und wollte sie unbedingt heiraten.
    »Helena von Troja!« nannte Gnaeus Domitius Ahenobarbus der Jüngere sie, als er um ihre Hand anhielt.
    Die Situation war in der Tat so, wie Publius Rutilius Rufus in seinem Brief an Gaius Marius geschrieben hatte - ganz Rom wollte seine Nichte Aurelia heiraten. Daß einige der Bewerber bereits verheiratet waren, spielte keine Rolle. Eine Scheidung war einfach, und Aurelias Mitgift war so groß, daß kein Mann Bedenken haben mußte, die Mitgift seiner früheren Frau zu verlieren.
    »Ich komme mir vor wie König Tyndareus, den jeder wichtige Prinz oder König um Helenas Hand bittet«, sagte Marcus Aurelius Cotta zu Rutilia.
    »Er hatte Odysseus, um das Problem zu lösen«, erwiderte sie.
    »Nun, ich wünschte, ich hätte auch einen Odysseus! Egal, wem ich sie gebe, ich werde alle beleidigen, die sie nicht bekommen.«
    »Genau wie Tyndareus«, meinte sie.
    Doch dann erschien Marcus Cottas Odysseus in Gestalt von Publius Rutilius Rufus zum Abendessen. Nachdem die Kinder einschließlich Aurelia zu Bett gegangen waren, wandte sich die Unterhaltung wie so oft Aurelias Heirat zu. Rutilius Rufus lauschte interessiert, und als der richtige Moment gekommen war, eröffnete er die Lösung. Allerdings verschwieg er seiner Schwester und seinem Schwager, daß eigentlich Gaius Marius, dessen knappen Brief aus Africa er gerade erhalten hatte, das Rätsel gelöst hatte.
    »Es ist doch ganz einfach, Marcus Aurelius«, sagte er.
    »Wenn es wirklich so einfach ist, dann liegt die Lösung so nahe, daß ich sie nicht sehen kann«, meinte Marcus Cotta. »Erleuchte meinen Verstand, Odysseus!«
    »Nun, ich sehe keinen Grund, wie Odysseus ein Lied darüber zu singen oder zu tanzen.« Rutilius Rufus lächelte. »Wir leben im modernen Rom, nicht im alten Griechenland. Wir können nicht einfach ein Pferd schlachten, es in vier Stücke teilen und alle Freier darauf stellen, damit sie dir den Treueid schwören, Marcus Aurelius.«
    »Vor allem nicht, bevor sie überhaupt wissen, wer der Glückliche ist!« erwiderte Cotta lachend. »Wie romantisch die alten Griechen doch waren. Nein, Publius Rutilius, ich fürchte, wir haben es mit einem ganz anderen Schlag zu tun - mit einer Reihe von streitsüchtigen, verbissenen Römern.«
    »Genau«, bestätigte Rutilius Rufus.
    »Komm, Bruder, erlöse uns und erzähle von deiner Idee«, drängte Rutilia.
    »Wie ich schon sagte, meine liebe Rutilia, ganz einfach. Aurelia soll sich ihren Ehemann selbst aussuchen.«
    Cotta und seine Frau starrten ihn verblüfft an.
    »Meinst du wirklich, daß das klug wäre?« fragte Cotta.
    »In dieser Lage kann Klugheit nicht weiterhelfen, was habt ihr also zu verlieren?« entgegnete Rutilius Rufus. »Ihr habt es nicht nötig, Aurelia mit einem reichen Mann zu verheiraten. Auf eurer Liste gibt es keine notorischen Mitgiftjäger, beschränkt also ihre Wahl auf diese Liste. Es ist unwahrscheinlich, daß die Familien der Aurelier, der Julier oder der Cornelier gesellschaftliche Emporkömmlinge anziehen. Und schließlich besitzt Aurelia eine gehörige Portion gesunden Menschenverstand, sie ist absolut nicht sentimental und ganz bestimmt nicht romantisch. Sie wird euch nicht enttäuschen, nicht meine Aurelia!«
    »Du hast recht«, sagte Cotta und nickte. »Es gibt keinen Mann, der Aurelia den Kopf verdrehen könnte.«
    Und so riefen Cotta und Rutilia Aurelia am nächsten Tag in Rutilias Wohnraum und eröffneten ihr, was sie beschlossen hatten.
    Sie kam herein, weder schlendernd noch mit der Hüfte wackelnd, ihre Schritte waren weder zu lang noch trippelnd. Aurelia hatte einen stolzen, aufrechten Gang, ihre Bewegungen waren präzise und zielbewußt, sie hielt Rücken und Schultern gerade, den Kopf erhoben.

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