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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Einbruch der Dunkelheit erreichten sie das Lager von König Bocchus, das im Aufbau Jugurthas Lager glich, jedoch wesentlich größer war. Hier zögerte Sulla, zügelte sein Pferd und hielt außer Sichtweite der Wachen.
    »Nicht, daß ich dir nicht vertrauen würde, Prinz Volux«, sagte er, »aber ich habe ein seltsames Gefühl, ein Prickeln in den Fingern sozusagen. Du bist der Sohn des Königs, du kannst im Lager ein- und ausgehen, wie es dir beliebt. Ich hingegen bin offensichtlich ein Fremder. Also werde ich mich hier ein wenig hinlegen, so bequem es eben geht, und warten, bis du deinen Vater gesprochen hast. Wenn alles in Ordnung ist, kommst du zurück und holst mich.«
    »Ich würde mich nicht hinlegen«, meinte Volux.
    »Warum?«
    »Skorpione.«
    Sulla fühlte, wie seine Nackenhaare sich sträubten, und mußte sich zusammennehmen, um nicht entsetzt aufzuspringen. Da es in Italien keine giftigen Insekten gab, waren für jeden Römer und Italiker Spinnen und Skorpione der Inbegriff des Schrecklichen. Sulla holte tief Atem, ignorierte die Schweißperlen auf seiner Stirn und warf Volux einen betont gleichgültigen Blick zu.
    »Nun, ich werde bestimmt nicht die ganze Zeit stehen bleiben, bis du zurückkommst. Das kann ja Stunden dauern. Und ich werde auch nicht wieder auf dieses Pferd klettern. Also muß ich wohl mein Glück mit den Skorpionen versuchen.«
    »Wie du meinst«, sagte Volux, der Sulla bereits als Helden verehrte und ihn nun geradezu anbetete.
    Sulla legte sich auf ein Fleckchen weicher, sandiger Erde, grub eine Kuhle für seine Hüfte und formte eine Stütze für seinen Nacken. Nachdem er ein lautloses Gebet gesprochen und Fortuna ein reichliches Opfer für den Fall versprochen hatte, daß sie sämtliche Skorpione fernhielt, schloß er die Augen und schlief sofort ein. So fand ihn Volux, als er vier Stunden später zurückkehrte. Er hätte ihn ohne weiteres töten können, doch Fortuna meinte es wirklich gut mit Sulla. Volux erwies sich als echter Freund.
    Die Nacht war kalt, und Sullas Glieder schmerzten. »Dieses Herumschleichen ist etwas für Jüngere!« spottete er und streckte eine Hand aus, um sich von Volux auf die Beine helfen zu lassen. Dann entdeckte er einen Schatten hinter Volux und erstarrte.
    »Es ist alles in Ordnung, Lucius Cornelius. Er ist ein Freund des Königs, meines Vaters. Sein Name ist Dabar«, sagte Volux schnell.
    »Ein weiterer Vetter des Königs, deines Vaters, nehme ich an?«
    »Nein, Dabar ist ein Vetter von Jugurtha, und wie Jugurtha ist er der Bastard einer Berberfrau. Deswegen ist er jetzt auf unserer Seite - Jugurtha zieht es vor, der einzige königliche Bastard an seinem Hof zu sein.«
    Sulla leerte die ihm gereichte Reiseflasche mit süßem, ungewässertem Wein in einem Zug. Der Schmerz in seinen Gliedern ließ nach, und die Kälte wich einer wohligen Wärme. Honigkuchen folgten und ein Stück stark gewürztes Ziegenfleisch, und noch eine Flasche des süßen Weines, der Sulla in diesem Augenblick köstlicher schien als alles, was er je getrunken hatte.
    »Ah, das tut gut!« sagte er und streckte sich, bis seine Gelenke knackten. »Was gibt es Neues?«
    »Das Prickeln in deinen Fingern hat dich zu Recht gewarnt, Lucius Cornelius«, erwiderte Volux. »Jugurtha war schneller als wir.«
    »Bin ich verraten?«
    »Nein, nein! Aber die Lage hat sich stark verändert. Dabar soll es dir erklären, er war dabei.«
    Dabar hockte sich auf seine Fersen, so daß er auf gleicher Höhe mit Sulla war. »Anscheinend hat Jugurtha erfahren, daß Gaius Marius Botschafter an meinen König gesandt hat«, berichtete er mit leiser Stimme. »Natürlich nahm Jugurtha an, daß mein König deshalb nicht nach Tingis zurückkehrte. Er beschloß, ebenfalls hierzubleiben und die Gesandtschaft abzufangen. Er hat sowohl den Landweg als auch den Seeweg verlegt. Und er hat einen seiner Würdenträger, Aspar, geschickt, der im Rat meines Königs sitzen und die Verhandlungen mit den Römern überwachen soll.«
    »Ich verstehe«, meinte Sulla. »Was sollen wir unter diesen Umständen tun?«
    »Morgen wird Prinz Volux dich zu meinem König bringen, es wird so aussehen, als ob ihr zusammen von Icosium hierher geritten wäret. Zum Glück hat Aspar nicht beobachtet, wie der Prinz heute in das Lager kam. Unser Plan sieht vor, daß du mit meinem König verhandelst, als ob du auf Befehl von Gaius Marius hier wärest und nicht auf Bitten meines Königs. Du wirst meinen König auffordern, mit Jugurtha zu brechen.

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