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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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daß Gaius Marius erneut in Abwesenheit als Konsul gewählt wurde. Auch die Zenturienversammlung konnten sie nicht auf ihre Seite ziehen. Die Wähler der Zweiten Zensusklasse hatten es Scaurus noch nicht verziehen, daß er sie in seiner denkwürdigen Rede mittelmäßige Männer genannt und mit der Dritten und Vierten Klasse in einen Topf geworfen hatte. Die Zenturienversammlung beauftragte Gaius Marius, weiterhin als Feldherr den Krieg gegen die Germanen zu führen, und wollte nichts von seiner Ablösung hören. Gaius Marius, der zum zweiten Mal hintereinander gewählte erste Konsul, war der Mann der Stunde. Er konnte jetzt von sich sagen, daß er der Erste Mann in Rom war, ohne Widerspruch befürchten zu müssen.
    »Aber er ist nicht primus inter pares , der Erste unter Gleichen«, sagte Metellus Numidicus zu dem jungen Marcus Livius Drusus. Drusus war nach seiner kurzen militärischen Karriere vom Vorjahr wieder ans Gericht zurückgekehrt, und Metellus Numidicus hatte den jungen Mann zusammen mit seinem Freund und Schwager Caepio Junior vor dem Amtssitz des Stadtprätors getroffen.
    »Ich muß gestehen, Quintus Caecilius«, sagte Drusus, und in seiner Stimme schwang nicht das leiseste Bedauern mit, »daß ich diesmal nicht wie meine Standesgenossen gestimmt habe. Ich habe für Gaius Marius gestimmt - ja, da staunst du, was? Ich habe nicht nur für Gaius Marius gestimmt, ich habe auch die meisten meiner Freunde und alle meine Klienten bewogen, für ihn zu stimmen.«
    »Du bist ein Verräter an deiner Klasse!« brauste Numidicus auf.
    »Überhaupt nicht, Quintus Caecilius«, erwiderte Drusus ruhig. »Vergiß eines nicht: Ich war in Arausio dabei. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, was passieren kann, wenn die Arroganz der Senatoren stärker ist als das Gebot des gesunden römischen Menschenverstandes. Und ich sage dir ins Gesicht: Auch wenn Gaius Marius so schielen würde wie Caesar Strabo und so unverschämt wäre wie Pompeius Strabo, von so niederer Abkunft wie ein Hafenarbeiter im Hafen von Rom und so vulgär wie der Ritter Sextus Perquitienus - ich hätte ihn trotzdem gewählt! Ich glaube nicht, daß wir einen anderen Soldaten seines Kalibers haben, und ich kann nicht gutheißen, daß ihm ein Konsul vor die Nase gesetzt wird, der ihn so behandelt wie Quintus Servilius Caepio den Gnaeus Mallius Maximus!«
    Drusus entfernte sich würdevoll, und Metellus Numidicus starrte ihm mit offenem Mund nach.
    »Er hat sich verändert«, sagte Caepio Junior. Er folgte Drusus immer noch auf Schritt und Tritt, allerdings seit ihrer Rückkehr aus Gallia Transalpina nicht mehr mit derselben Begeisterung wie früher. »Mein Vater sagt, wenn Marcus Livius nicht aufpaßt, wird er noch ein ganz schlimmer Demagoge.«
    »Unmöglich!« rief Metellus Numidicus. »Immerhin war sein Vater Zensor und der erbittertste Gegner des Gaius Gracchus. Der junge Marcus Livius hat eine in jeder Hinsicht konservative Erziehung genossen!«
    »Arausio hat ihn verändert«, beharrte Caepio Junior. »Vielleicht war es der Schlag, den er auf den Kopf bekommen hat - das meint jedenfalls mein Vater. Seit seiner Rückkehr ist er mit diesem Marser Silo, den er nach der Schlacht kennenlernte, dick befreundet.« Caepio schnaubte verächtlich. »Wenn Silo von Alba Fucentia nach Rom kommt, spielt er in Marcus Livius’ Haus den großen Herrn, als ob alles ihm gehörte, und die beiden sitzen stundenlang zusammen und reden. Mich fragen sie nie, ob ich dabeisein will.«
    »Eine bedauerliche Sache, Arausio«, sagte Metellus Numidicus etwas gewunden. Schließlich stand vor ihm der Sohn des Mannes, der die Hauptschuld an der Niederlage trug.
     
    Der junge Caepio verdrückte sich, sobald er konnte, und machte sich auf den Heimweg. Er verspürte eine vage Unzufriedenheit, die ihn begleitete seit - er wußte nicht genau, seit wann, aber es mußte etwa zu der Zeit gewesen sein, als er Drusus’ Schwester geheiratet hatte und Drusus seine Schwester. Er hätte nicht sagen können, warum er unzufrieden war; er war es einfach. Und seit Arausio hatte sich so viel geändert! Sein Vater war auch nicht mehr derselbe. Im einen Augenblick kicherte er noch fröhlich über einen Witz, den sein Sohn nicht verstand, im nächsten versank er schon wieder in tiefste Verzweiflung, weil die öffentliche Empörung über Arausio immer höhere Wellen schlug, und wenig später brüllte er wütend, daß alles ungerecht sei - ohne daß sein Sohn verstanden hätte, was er mit »alles«

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