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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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starrten mit grimmiger Miene und zusammengezogenen Augenbrauen trotzig und unbeeindruckt geradeaus.
    »Ich sage euch, warum, Kollegen Senatoren.« Scaurus’ Stimme bebte vor Verachtung. »Einige lassen sich kaufen wie billiger Schmuck auf dem Jahrmarkt - diese Männer können wir zumindest verstehen! Andere haben raffiniertere Gründe, der erste Tribun von dieser Sorte war Tiberius Sempronius Gracchus. Ich meine den Volkstribun, der im Volk ein Werkzeug seiner eigenen Ziele sieht und der danach strebt, der Erste Mann in Rom zu werden, ohne sich diesen Rang gegenüber den anderen Mitgliedern seiner Klasse zu verdienen, wie Scipio Aemilianus das getan hat oder Scipio Africanus oder Aemilius Paullus, oder - wenn ich für meine Wenigkeit sprechen darf - Marcus Aemilius Scaurus, der Vorsitzende dieses Senats! Wir haben von den Griechen ein Wort entlehnt, das Volkstribunen vom Schlag eines Tiberius oder Gaius Gracchus treffend beschreibt: Wir nennen sie Demagogen. Wir gebrauchen das Wort allerdings nicht in genau demselben Sinn wie die Griechen. Unsere Demagogen bringen nicht eine nach Blut dürstende Stadt aufs Forum, sie stoßen auch nicht eigenhändig Senatoren von den Stufen der Curia und setzen ihren Willen nicht durch die Gewalt der Masse durch. Unsere Demagogen begnügen sich damit, die Besucher der Volksversammlung aufzuhetzen und ihren Willen mit Gesetzen durchzusetzen. Hin und wieder kommt es zu Gewalt, zugegeben, aber viel öfter müssen wir Senatoren zur Gewalt greifen, um den status quo wieder herzustellen. Denn unsere Demagogen sind Gesetzgeber, Verfasser von Gesetzen, sie sind viel raffinierter, perfider und gefährlicher als einfache Volksaufwiegler! Sie verderben das Volk, um ihre eigenen Ziele zu fördern. Und das, eingeschriebene Väter, verdient nur Verachtung. Trotzdem geschieht es jeden Tag, und jeden Tag dreister. Es ist der schnelle Weg zur Macht, der leichte Weg nach oben.«
    Scaurus hielt inne und wandte sich um. Mit der linken Hand raffte er die schweren Falten seiner purpurgesäumten Toga zusammen, die sich um seinen Hals legten und ihm über die linke Schulter fielen. Die freie rechte Hand hob er, um seinen Worten durch Gesten Nachdruck zu verleihen.
    »Der schnelle Weg zur Macht, der leichte Weg nach oben«, wiederholte er mit donnernder Stimme. »Wir wissen genau, wer diese Männer sind. An erster Stelle steht Gaius Marius, unser ehrenwerter Konsul, der sich, wie ich höre, ein drittes Mal zum Konsul wählen lassen will und wieder in absentia ! Geschieht das auf unseren Wunsch? Nein! Natürlich durch das Volk! Wie hätte Gaius Marius dorthin gelangen können, wo er heute ist, wenn nicht durch das Volk? Einige von uns haben ihn bis aufs Messer, bis zur Erschöpfung, bekämpft - mit allen legalen Waffen, die das Arsenal unserer Verfassung zur Verfügung stellt! Vergebens. Gaius Marius hat die Unterstützung des Volkes, das Ohr des Volkes, und er hat die Taschen einiger Volkstribunen mit Geld gefüllt. Heutzutage reicht das. Weil er reich ist wie Krösus, kann er sich kaufen, was er auf anderem Wege nicht bekommt. Das ist Gaius Marius. Aber ich wollte nicht über ihn sprechen. Verzeiht mir, patres conscripti , daß ich meinen Gefühlen nachgegeben und mich so weit vom eigentlichen Thema meiner Rede entfernt habe.«
    Scaurus kehrte dorthin zurück, wo er anfangs gestanden hatte. Dann wandte er sich der Bühne zu, auf der die Inhaber kurulischer Ämter saßen, und sprach direkt zu Gaius Memmius.
    »Ich wollte eigentlich über einen anderen Aufsteiger sprechen, einen weniger spektakulären Aufsteiger als Gaius Marius. Einen Mann, der Senatoren zu seinen Vorfahren zählt, der fließend Griechisch spricht, eine gute Erziehung genossen hat und über eine so große Macht gebietet, daß er mit Sicherheit nie in seinem Leben Schweinekot gesehen hat - wenn er überhaupt etwas sehen würde! Kein Römer aus Rom freilich, auch wenn er etwas anderes behauptet. Ich spreche von dem Quästor Gnaeus Pompeius Strabo, von diesem ehrwürdigen Hause dazu eingesetzt, dem Statthalter Sardiniens, Titus Annius Albucius, zu dienen.
    Wer ist dieser Gnaeus Pompeius Strabo? Ein Pompeius, der behauptet, mit der gleichnamigen Familie blutsverwandt zu sein, die seit Generationen Senatsmitglieder stellt; es wäre interessant zu erfahren, wie eng diese verwandtschaftlichen Beziehungen sind. Reich wie Krösus, halb Norditalien als Klientel, ein König auf seinen Ländereien. Das ist Gnaeus Pompeius Strabo.«
    Scaurus’ Stimme

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