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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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klatschen Beifall, wenn Vorrechte des Senats an Ritter verscherbelt werden! Lauter mittelmäßige Figuren! Weder groß genug, um zur Ersten Klasse der Zenturien zu gehören, noch gering genug, um wie die Fünfte Klasse und die besitzlosen Proletarier ausschließlich mit sich selbst beschäftigt zu sein! Ich sage es nochmals, Senatoren: Das Volk taugt nicht zur Regierung Roms! Es hat schon zuviel Macht. Jetzt erdreistet es sich in seiner maßlosen Arroganz, unseren Rat, unsere Anweisungen und uns selbst zu mißachten - unterstützt und ermutigt, wie ich sagen muß, durch verschiedene Mitglieder dieses Hauses in ihrer Zeit als Volkstribunen!«
    Die Senatoren merkten, daß Scaurus dabei war, eine seiner denkwürdigeren Reden zu halten. Scaurus’ Sekretär und einige andere Schreiber kritzelten eifrig mit, und Scaurus selbst sprach langsam genug, daß kein Wort verlorenging.
    »Es ist höchste Zeit«, fuhr er mit tönender Stimme fort, »daß wir vom Senat diese Entwicklung umkehren. Es ist höchste Zeit, daß wir dem Volk zeigen, daß es in unserer gemeinsamen Regierung an zweiter Stelle steht!« Er holte Atem. Dann sagte er etwas leiser: »Die Ursache für die Aushöhlung der Macht des Senats läßt sich leicht benennen. Der ehrwürdige Senat hat zu viele Emporkömmlinge für die höchsten Ämter zugelassen, zu viele lästige Pilze, zuviele Aufsteiger. Was bedeutet der römische Senat schon einem Mann, der sich erst den Schweinekot aus dem Gesicht wischen mußte, ehe er nach Rom kam, um dort sein Glück als Politiker zu versuchen? Was bedeutet der Senat einem Mann, der bestenfalls ein halber Latiner von der samnitischen Grenze ist und der am Rockzipfel einer gekauften patrizischen Frau ins Konsulat gelangte? Was bedeutet er einem schielenden Bastard von den keltenverseuchten Hügeln im nördlichen Picenum?«
    Natürlich hatten die Senatoren erwartet, daß Scaurus über Marius herziehen würde. Aber seine Ausfälle waren so geistreich, daß sie sie amüsiert zur Kenntnis nahmen, und sie fühlten, daß Scaurus sie zu Recht tadelte. Pflichtschuldigst und durchaus interessiert hörten sie ihm weiter zu.
    »Unsere Söhne, patres conscripti «, fuhr Scaurus traurig fort, »haben sich einschüchtern lassen. Sie wachsen in einem politischen Klima auf, das den römischen Senat erstickt und das römische Volk übermütig macht. Wie können wir erwarten, daß unsere Söhne Rom einmal führen werden, wenn das Volk sie heute einschüchtert? Ich sage euch: Wenn ihr es nicht schon tut, müßt ihr heute damit anfangen, eure Söhne im Geist der Stärke zu erziehen. Sie müssen stark sein für den Senat und hart gegen das Volk! Bleut ihnen ein, daß der Senat von Natur überlegen ist! Und bereitet sie darauf vor, für diese naturgegebene Überlegenheit zu kämpfen!«
    Scaurus hatte sich wieder vom Portal entfernt und war vor die Bank der Tribunen getreten. Die Tribunen waren vollzählig erschienen. »Kann mir jemand erklären, warum ein Mitglied dieses ehrwürdigen Hauses absichtlich die Macht des Senats schädigen sollte? Ja? Denn das geschieht fortwährend! Da sitzen sie und nennen sich Senatoren - Mitglieder dieses ehrwürdigen Hauses! - und zugleich Volkstribunen! Sie dienen zwei Herren, zwei verschiedenen Herren! Ich sage: Mögen sie sich daran erinnern, daß sie zuerst Senatoren sind und dann erst Volkstribunen. Ihre wirkliche Aufgabe als Volkstribunen ist es, das Volk zu erziehen und gefügig zu machen. Tun sie das? Nein! Mitnichten! Einige Tribunen halten sich an die rechtmäßige Reihenfolge, das gebe ich zu, und ich rechne ihnen das hoch an. Andere Tribunen - es gibt sie in der Geschichte immer wieder,- tun weder für den Senat, noch für das Volk etwas. Sie haben Angst, daß sie, wenn sie sich auf die Seite einer Partei schlagen, den Rest gegen sich aufbringen, Schiffbruch erleiden und dem allgemeinen Gespött preisgegeben sind. Einige aber, eingeschriebene Väter, graben mit voller Absicht an den Wurzeln dieser ehrwürdigen Institution, des Senats von Rom. Warum? Was treibt sie dazu, den Stand zu zerstören, dem sie selbst angehören?«
    Die zehn Volkstribunen auf der Bank zeigten durch ihre Haltung deutlich, welcher politischen Richtung sie angehörten. Die senatstreuen Tribunen hatten sich kerzengerade aufgerichtet und glühten vor Stolz über das Lob des Senatsvorsitzenden. Die Männer auf der Mitte der Bank rutschten unruhig hin und her und hielten die Augen die ganze Zeit zu Boden gesenkt. Die rebellischen Tribunen

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