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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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geerntet. Aus dem grandiosen Plan, mit dem letzten Viertel enorme Profite zu machen, wurde nichts, und die an gemieteten Getreidespeicher blieben leer.
    Aber zurück zu jenen hektischen zwei Wochen, in denen Nerva einige italische Sklaven befreite und eine Gruppe von Getreidehändlern das letzte Viertel der Ernte aufkaufte. Als das Getreide gekauft war und Nerva sein Büro zumachte, wurden die Händler von bewaffneten Banditen überfallen und bis auf den letzten Mann umgebracht. Das glaubten zumindest die Banditen. Doch einer von ihnen stellte sich nur tot und konnte entkommen - das war der Bursche, den Scaurus in Ostia traf.
    Scaurus roch den Braten. Was für eine geniale Spürnase! Welcher Scharfsinn! Anders als der Getreideagent sah er den Zusammenhang sofort. Dafür könnte ich ihn umarmen, auch wenn er ein sturer Konservativer ist. Er buddelte wie ein Terrier und entdeckte, daß die anonymen Drahtzieher keine anderen waren als eben Dein ehrenwerter Mitkonsul vom letzten Jahr, Gaius Flavius Fimbria, und der diesjährige Statthalter von Makedonien, Gaius Memmius! Sie hatten unseren Terrier Scaurus letztes Jahr auf eine klug gelegte falsche Fährte geführt, die ihn zum Quästor von Ostia gebracht hatte - unserem rührigen Volkstribunen Lucius Appuleius Saturninus.
    Als Scaurus genügend Beweise gesammelt hatte, ging er damit an die Öffentlichkeit. Er entschuldigte sich zweimal bei Saturninus - einmal im Senat und einmal in der Volksversammlung. Das war ihm zwar furchtbar peinlich, aber er blieb seiner Würde nichts schuldig. Und alle Welt verzeiht dem, der sich aufrichtig und würdevoll entschuldigt. Umgekehrt muß ich sagen, daß Saturninus nach seiner Rückkehr in den Senat als Volkstribun Scaurus nie angegriffen hat. Auch Saturninus meldete sich zu Wort, einmal im Senat und einmal in der Volksversammlung, und sagte, er habe Scaurus nie etwas nachgetragen, denn er habe erkannt, wie raffiniert die wahren Schurken gearbeitet hätten. Er sei Scaurus für seine Rehabilitation zutiefst dankbar. Auch er wahrte also seine Würde. Die Sympathien gehören ja auch dem, der eine aufrichtige Entschuldigung bescheiden und demütig annimmt.
    Scaurus bot Saturninus an, Fimbria und Memmius vor seinem neuen Gericht wegen Hochverrat anzuklagen, und Saturninus nahm natürlich an. Jetzt freuen wir uns also auf einen Prozeß gegen Fimbria und Memmius, bei dem es viel Feuer und wenig Rauch geben wird. Ich nehme an, daß sie vor einem mit Rittern besetzten Gericht angeklagt werden, denn viele Ritter aus dem Getreidegeschäft haben Geld verloren, und man gibt Fimbria und Memmius die Schuld an der ganzen sizilischen Katastrophe. Und die Moral der Geschichte: Manchmal erhalten die wirklichen Bösewichter eben doch ihre gerechte Strafe.
    Die andere Begebenheit, in die Saturninus verwickelt ist, ist noch viel witziger und interessanter. Ich weiß freilich immer noch nicht genau, auf was unser so glänzend rehabilitierter Volkstribun eigentlich hinaus will.
    Vor ungefähr zwei Wochen tauchte ein Mann auf dem Forum auf und bestieg die Rednerbühne, die gerade leer war, da die Volksversammlung nicht tagte und auch sonst niemand reden wollte. Er verkündete dem unteren Teil des Forums, er heiße Lucius Equitius und sei ein freigelassener Sklave und römischer Bürger aus Firmum Picenum und - halt Dich fest, Gaius Marius, jetzt kommt’s! - der uneheliche Sohn des Tiberius Sempronius Gracchus höchstpersönlich!
    Dann spulte er eine Geschichte ab, die, soweit sie geht, in sich logisch ist. In Kürze: Seine Mutter war eine freie Römerin aus guten, jedoch mittellosen Verhältnissen. Sie verliebte sich in Tiberius Gracchus, und dieser erwiderte ihre Liebe. Aber natürlich konnte sie ihn wegen ihrer geringen Abstammung nicht heiraten. Sie wurde also seine heimliche Geliebte und lebte in einem kleinen, aber komfortablen Haus auf einem der Landgüter des Tiberius Gracchus. Dort erblickte nach einiger Zeit Lucius Equitius das Licht der Welt - seine Mutter hieß Equitia.
    Dann wurde Tiberius Gracchus ermordet, und kurz darauf starb auch Equitia. Ihren kleinen Sohn hinterließ sie der Fürsorge von Cornelia, der Mutter der Gracchen. Cornelia war allerdings gar nicht erbaut darüber und übergab das uneheliche Kind ihres Sohnes einem Sklavenehepaar auf ihrem Besitz in Misenum. Später ließ sie ihn als Sklaven an Leute in Firmum Picenum verkaufen.
    Lucius Equitius behauptet, er habe damals nicht gewußt, wer er war. Wenn er freilich all das getan hat,

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