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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Bruder Tiberius sei sowieso nie, aber auch gar niemals außerhalb des heiligen Bundes der Ehe auf die Jagd gegangen, das Ganze sei also völliger Unsinn. Dann ging sie auf Equitius los und bearbeitete ihn mit ihrem Spazierstock aus Ebenholz und Elfenbein. Es war wirklich die köstlichste Posse, die Du Dir vorstellen kannst - ich wünschte, Lucius Cornelius Sulla hätte dabeisein können. Er hätte darin geschwelgt!
    Schließlich mußte Ahenobarbus Pimmel - ein wunderbarer Spitzname! Und er stammt ausgerechnet von Metellus Numidicus! - sie gewaltsam von der Bühne holen, während das Publikum vor Lachen brüllte. Scaurus lachte, bis ihm die Tränen kamen, und er lachte noch mehr, als Ahenobarbus, Metellus Numidicus und dessen Sohn ihm vorwarfen, sein Benehmen sei beschämend für einen Senator.
    Als Equitius die Rednerbühne wieder für sich hatte, trat Saturninus zu ihm und fragte ihn, ob er wisse, wer die alte Schachtel sei. Equitius sagte nein, er wisse es nicht. Entweder hatte er nicht zugehört, als Ahenobarbus ihm die Frau mit donnernder Stimme vorgestellt hatte, oder er log. Daraufhin setzte Saturninus ihm kurz, aber freundlich auseinander, die Dame sei Tantchen Sempronia, die Schwester der Brüder Gracchus. Equitius sah ihn erstaunt an und sagte, er habe Tante Sempronia in seinem bisherigen, so erstaunlich rührigen Leben nie gesehen. Es würde ihn auch sehr wundern, wenn Tiberius Gracchus seiner Schwester je von der Freundin und dem Kind im Liebesnest auf dem Bauernhof erzählt hätte. Die Zuschauer nahmen das als plausible Antwort. Sie glauben fröhlich weiter, daß Lucius Equitius der uneheliche Sohn des Tiberius Gracchus ist. Die Senatoren, insbesondere Ahenobarbus, schäumen. Alle jedenfalls bis auf Saturninus, Scaurus und mich. Saturninus feixt, Scaurus lacht, und Du darfst dreimal raten, was ich tue!
     
    Publius Rutilius seufzte und schüttelte seine verkrampfte Hand. Wenn Briefeschreiben ihm doch so schwerfallen wurde wie Gaius Marius! Vielleicht wäre dann die Versuchung nicht so groß, den Bericht mit all jenen köstlichen Details auszuschmücken, die aus einem fünfspaltigen Schreiben ein fünfundfünfzigspaltiges machten.
    Das, lieber Gaius Marius, ist nun aber wirklich alles. Wenn ich hier noch einen Augenblick länger sitze, kommen mir noch mehr unterhaltsame Geschichten in den Sinn, und ich schlafe noch mit der Nase im Tintenfaß ein. Ich wünschte, es gäbe einen besseren, das heißt römischeren Weg, Dir den Oberbefehl zu sichern, ohne daß Du noch einmal für das Konsulat kandidieren mußt. Ich sehe auch nicht, wie Du Deine Wahl durchsetzen willst. Aber ich wage zu sagen, daß es Dir gelingen wird. Bleib gesund. Denk dran, Du bist nicht mehr der Jüngste, also übertreib nicht und brich Dir keine Knochen. Ich schreibe wieder, sobald es etwas zu schreiben gibt.
     
    Gaius Marius erhielt den Brief Anfang November. Gerade hatte er ihn so weit entziffert, daß er ihn in einem Zug und mit Genuß durchlesen konnte, da traf Sulla im Lager ein. Daß er diesmal endgültig zurück war, zeigte er dadurch, daß er sich als erstes seinen inzwischen gigantischen Schnurrbart abrasierte und sich die Haare schneiden ließ. Dann stieg er ins Bad, und während Sulla sich genußvoll im warmen Wasser räkelte, las Marius ihm den Brief vor. Er war glücklich wie ein Kind, daß Sulla wieder da war und sich mit ihm über den Brief freuen konnte.
    Später zogen die beiden sich in das Arbeitszimmer des Feldherrn zurück. Marius gab Anweisung, daß er auch nicht von Manius Aquilius nicht gestört werden wolle. »Nimm doch diesen komischen Halsring ab!« sagte Marius, als der wieder wie ein Römer aussehende, mit einer Tunika bekleidete Sulla sich vorbeugte und der große, goldene Ring im Licht glänzte.
    Aber Sulla schüttelte lächelnd den Kopf. Liebevoll fuhr er mit den Fingern über die schön gearbeiteten Drachenköpfe, in die die beiden Enden des fast kreisrunden Halsrings ausliefen. »Ich glaube nicht, daß ich ihn je wieder abnehmen werde, Gaius Marius. Sieht barbarisch aus, nicht?«
    »Er paßt nicht zu einem Römer«, brummte Marius.
    »Die Sache ist nur die: Der Ring ist mein Talisman. Wenn ich ihn abnehme, verliere ich vielleicht mein Glück.« Mit einem wollüstigen Seufzer sank Sulla auf eine Liege. »Ah, wie gut das tut, wieder wie ein zivilisierter Mensch zu liegen. Bei den Germanen mußte ich stundenlang aufrecht auf harten Holzbänken am Tisch sitzen. Ich glaubte schon, ich hätte nur geträumt, daß

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