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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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haben uns deshalb nicht oft gesehen, nur ab und zu, um Erfahrungen auszutauschen. Beide haben wir Frauen mit Wagen gefunden, die es noch nicht geschafft hatten, wieder zu heiraten. Aber zu der Zeit waren wir natürlich in unseren Stämmen schon als Krieger angesehen. Das hatten wir bereits erreicht, ehe wir dich letztes Jahr besuchten. Gleich nach unserer Rückkehr fanden wir dann unsere Frauen.«
    »Haben sie euch nicht zurückgewiesen? Schließlich habt ihr euch als Gallier ausgegeben, nicht als Germanen.«
    »Stimmt. Aber Quintus Sertorius und ich sind gute Krieger. Kein Häuptling verachtet gute Krieger.« Sulla grinste.
    »Wenigstens mußtet ihr keine Römer umbringen! Obwohl ihr das sicher getan hättet, wenn es hart auf hart gekommen wäre.«
    »Sicher. Du etwa nicht?«
    »Doch, natürlich. Die Liebe muß den vielen gelten, sentimental darf man nur zu wenigen sein. Man kämpft, um die Masse zu retten, nicht einige Einzelpersonen.« Seine Miene hellte sich auf. »Es sei denn, man kann beides verbinden.«
    »Ich war ein Gallier von den Karnuten, der bei den Kimbern als Krieger diente«, sagte Sulla verwirrt. Diesmal konnte er Marius’ Ausführungen nicht folgen, wie vorhin Marius ihm nicht hatte folgen können. »Anfang Frühjahr trat eine große Ratsversammlung zusammen, die sich aus den Häuptlingen aller Stämme zusammensetzte. Die Kimbern waren inzwischen so weit wie möglich nach Westen gezogen. Sie hofften, die Pyrenäen an der niedrigsten Stelle überqueren zu können, um nach Spanien zu gelangen. Die Versammlung wurde in Aquitanien am Ufer des Adour abgehalten. Inzwischen wußten die Häuptlinge, daß sämtliche Stämme der Kantabrer, Asturer, Vettonen, westlichen Lusitaner und Vasconen sich auf der spanischen Seite des Gebirges versammelt hatten, um den Germanen den Weg nach Spanien zu verstellen. Auf dieser Ratsversammlung trat ganz plötzlich und unerwartet ein neuer starker Mann auf - Boiorix!«
    »Ich erinnere mich noch an den Bericht von Marcus Cotta nach Arausio. Boiorix war einer der beiden Führer, die ihm auffielen. Der andere war Teutobod von den Teutonen.«
    »Boiorix ist noch sehr jung. Vielleicht dreißig, höchstens. Groß wie ein Turm, Muskeln wie Herkules und Füße so groß wie Wolfsbarsche. Aber was am interessantesten ist: Er denkt ähnlich wie wir. Gallier und Germanen unterscheiden sich in ihrem Denken so sehr von den Völkern des Mittelmeers, daß sie uns als Barbaren erscheinen! Boiorix dagegen hat in den vergangenen neun Monaten gezeigt, daß er eine andere Art von Barbar ist. So hat er sich selbst das Lesen und Schreiben beigebracht - und zwar Lateinisch, nicht Griechisch. Ich glaube, ich habe dir schon einmal gesagt, daß gebildete Gallier eher Latein können als Griechisch... «
    »Boiorix, Lucius Cornelius! Boiorix!«
    Sulla lächelte. »Zurück zu Boiorix also. Er ist seit etwa vier Jahren ein einflußreicher Mann in den Ratsversammlungen, aber erst dieses Frühjahr überwand er alle seine Gegner und schwang sich zum Oberhäuptling auf. Wir würden ihn König nennen, weil er sich in allen Situationen die letzte Entscheidung vorbehält und sich auch nicht scheut, der Ratsversammlung zu widersprechen.«
    »Wie wurde er König?«
    »Auf die alte Art. Weder Germanen noch Gallier führen Wahlen durch, obwohl sie bei Beratungen manchmal abstimmen. Meist trifft bei Beratungen der die Entscheidung, der am längsten nüchtern ist oder am lautesten schreien kann. Boiorix erkämpfte sich seinen Titel. Er forderte seine Rivalen heraus und tötete sie. Nicht alle auf einmal - je einen Rivalen am Tag, bis keine mehr übrig waren. Ingesamt forderten ihn sechs Häuptlinge heraus. Alle sechs mußten wie beim guten alten Homer ins Gras beißen.«
    »König werden, indem man seine Rivalen tötet«, sagte Marius nachdenklich. »Was bringt das für eine Genugtuung? Es ist wahrhaft barbarisch! Ein Rivale, der in einer Debatte oder vor Gericht besiegt wird, lebt und kämpft weiter. Keiner sollte ohne Rivalen sein. Nur vor ihnen kann er glänzen, weil er tüchtiger ist. Sind sie tot, kann er vor niemandem mehr glänzen.«
    »Ich stimme dir zu. Aber in einer barbarischen Welt geht es nur darum, alle Rivalen zu töten. Es ist sicherer.«
    »Was geschah, als Boiorix König war?«
    »Er verbot den Kimbern, nach Spanien zu ziehen. Andere Länder seien viel leichter erreichbar, sagte er. Etwa Italien. Aber zuerst sollten sie sich mit den Teutonen, den Tigurinern, den Markomannen und den Cheruskern

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