MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Stammesführer zum Häuptling einer größeren Stammesgruppe befördert wurde, um an dem großen Rat aller Germanen teilnehmen zu können.«
Marius wollte sich ausschütten vor Lachen. »Willst du damit sagen, daß die armen Römer in ein paar Jahren gegen zwei kleine Germanen kämpfen müssen, die aussehen wie du?«
Sulla grinste. »Das wäre möglich.«
»Und auch gegen ein paar kleine Quintus Sertoriusse?«
»Zumindest einen.«
Marius beruhigte sich wieder. »Fahre fort, Lucius Cornelius.«
»Unser Boiorix ist wirklich ein sehr schlauer Bursche. Was wir auch tun, wir dürfen ihn nicht unterschätzen, nur weil er ein Barbar ist. Er hat einen großartigen Plan entwickelt. Sogar du wärst stolz, wenn du darauf gekommen wärst. Ich übertreibe nicht, glaub mir.«
Marius sah ihn aufmerksam an. »Ich glaube dir! Wie sieht dieser großartige Plan aus?«
»Sobald das Wetter es nächstes Jahr zuläßt, spätestens aber im März, wollen die Germanen an drei Stellen in Italien einfallen. Anders ausgedrückt, im März werden sämtliche achthunderttausend Germanen das Land der Aduatuker verlassen. Nach Boiorix’ Plan haben sie dann ein halbes Jahr Zeit für den Marsch von der Maas nach Gallia Cisalpina.«
Sowohl Marius wie Sulla beugten sich vor.
»Boiorix hat die Germanen in drei getrennte Armeen aufgeteilt. Die Teutonen, ungefähr eine viertel Million Menschen, sollen von Westen ins italische Gallien einfallen. Angeführt werden sie von ihrem König Teutobod. Bisher sieht der Plan vor, daß sie die Rhône hinuntermarschieren und dann an der ligurischen Küste nach Genua und Pisae weiterziehen. Wie ich Boiorix einschätze, werden sie ihre Route aber noch vor Marschbeginn ändern und über die Via Domitia und den Mons-Genava-Paß ziehen. Sie kommen dann bei Taurasio am Po heraus.«
»Boiorix kann also nicht nur Latein, sondern kennt sich auch in Geographie aus«, sagte Marius grimmig.
»Wie gesagt, er liest viel. Außerdem hat er aus römischen Gefangenen unter Folter Informationen herausgepreßt - nicht alle Soldaten, die wir in Arausio verloren haben, sind gefallen. Wenn sie von den Kimbern gefangengenommen wurden, blieben sie am Leben, bis Boiorix wußte, was er wissen wollte. Man kann es unseren Männern nicht vorwerfen, wenn sie den Germanen etwas erzählt haben.« Sulla verzog das Gesicht. »Die Germanen foltern immer, sie sind geübt darin.«
»Das heißt also, die Teutonen folgen derselben Route wie die Germanen vor der Schlacht bei Arausio. Auf welchem Weg wollen die anderen in Italien einfallen?«
»Die Kimbern sind die zahlenmäßig stärkste der drei großen germanischen Abteilungen. Insgesamt mindestens vierhunderttausend Menschen. Während die Teutonen an der Maas entlang und dann die Saône und die Rhône hinunter marschieren, ziehen die Kimbern am Rhein bis zum Bodensee, überqueren dann im Norden des Sees die Wasserscheide zum Einzugsgebiet der Donau. Sie folgen der Donau nach Osten bis zum Inn, dann ziehen sie innaufwärts über den Brenner nach Italien. Dabei kommen sie an der Etsch in der Nähe von Verona heraus.«
»Angeführt von König Boiorix persönlich.« Marius schob nachdenklich das Kinn vor. »Das Ganze gefällt mir immer weniger.«
»Die dritte Gruppe ist die kleinste und am wenigsten homogene. Sie besteht aus den Tigurinern, den Markomannen und den Cheruskern, insgesamt etwa zweihunderttausend Menschen. Angeführt werden sie von dem Tiguriner Getorix. Boiorix wollte sie zuerst geradewegs durch die großen germanischen Wälder schicken - die Hercynia, die Gabreta und so weiter. Durch Pannonien sollten sie dann nach Süden nach Noricum vorstoßen. Dann kamen ihm wahrscheinlich Zweifel, ob sie sich auch an diese Route halten würden, und er beschloß, daß sie mit ihm entlang der Donau zum Inn marschieren sollten. Von da an sollten sie der Donau weiter nach Osten folgen, bis nach Noricum, und dann nach Süden schwenken. Sie werden über die Karnischen Alpen nach Italien vorstoßen und bei Tergeste in der Nähe von Aquileia herauskommen.«
»Und jede Abteilung hat ein halbes Jahr Zeit, sagst du? Ich kann mir vorstellen, daß die Teutonen es schaffen, aber die Kimbern haben eine viel längere Strecke zu bewältigen und die gemischte dritte Abteilung die längste.«
»Eben das stimmt nicht, Gaius Marius. In Wirklichkeit ist die Entfernung vom Ausgangspunkt des Marsches an der Maas in etwa dieselbe. Alle drei Abteilungen müssen die Alpen überqueren, aber nur die Teutonen müssen
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