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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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eigenartig?«
    Julilla schloß mühsam ihren Mund und schluckte ein paarmal. »Ist sie so schön?« flüsterte sie.
    Sullas blasse Augen öffneten sich überrascht. »Schön? Hermana? Überhaupt nicht! Sie ist plump und schon über dreißig. Nicht im entferntesten so schön wie du. Und auch nicht so blond. Sie ist nicht einmal die Tochter eines Häuptlings, von einem König ganz zu schweigen. Einfach eine Barbarin.«
    »Warum?«
    Sulla schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß ich sie sehr mochte.«
    »Was hat sie mir denn voraus?«
    »Prachtvolle Brüste«, sagte Sulla und zuckte die Schultern. »Aber das ist vermutlich nicht alles, denn ich mache mir nicht soviel aus Brüsten. Sie hat hart gearbeitet. Und sich nie beklagt. Sie hat nichts von mir erwartet - nein, das ist es auch nicht. Richtiger ist wohl, daß sie nie mehr von mir erwartete, als ich geben konnte.« Er nickte, lächelte mit offensichtlicher Zärtlichkeit. »Ja, das muß es wohl sein. Sie war sich selbst genug, sie bürdete sich mir nicht auf. Du bist ein Bleigewicht um meinen Hals, Hermana war ein Flügelpaar an meinen Füßen.«
    Julilla wandte sich um und verließ ohne ein weiteres Wort das Arbeitszimmer. Sulla erhob sich und schloß hinter ihr die Tür.
    Doch er fand keine Zeit, sich wieder seinen Grübeleien zu widmen - schreiben konnte er an diesem Morgen ohnehin nicht -, denn die Tür öffnete sich sogleich wieder.
    Sein Verwalter trat ein, steif wie ein Stock.
    »Was gibt es?«
    »Ein Besucher, Lucius Cornelius. Bist du zu Hause?«
    »Wer ist es?«
    »Ich würde dir gerne seinen Namen nennen, dominus , wenn ich ihn wüßte«, sagte der Verwalter steif. »Der Besucher zog es vor, mir eine Botschaft für dich mitzugeben. ›Skylax sendet dir Grüße.‹«
    Seine finstere Miene verflog wie der Atem auf einem Spiegel, er lächelte erfreut. Einer aus seiner alten Welt! Einer von den Mimen, den Komödianten, den Schauspielern, die er gekannt hatte. Wunderbar! Was für einen Dummkopf von Verwalter hatte Julilla nur gekauft! Der hatte natürlich keine Ahnung, aber Clitumnas Sklaven waren Julilla nicht gut genug gewesen. »Führ ihn herein!« befahl Sulla.
    Er hätte ihn überall und jederzeit wiedererkannt. Und doch, wie hatte er sich verändert! Der Junge war ein Mann geworden.
    »Metrobius«, sagte Sulla und stand auf. Er warf einen schnellen Blick zur Tür, um sich zu überzeugen, daß sie geschlossen war. Ja, sie war geschlossen. Die Fenster standen zwar offen, aber das spielte keine Rolle. Denn in Sullas Haushalt war es ein ehernes Gesetz, daß niemand den Fenstern seines Arbeitszimmers so nahe kommen durfte, daß er hineinblicken konnte.
    Er muß jetzt ungefähr zweiundzwanzig sein, dachte Sulla. Ziemlich hochgewachsen für einen Griechen. Die lange Mähne seiner schwarzen Locken war ordentlich zu einer männlich wirkenden Frisur geschnitten, Wangen und Kinn, früher knabenhaft glatt, zeigten nun den bläulichen Schatten eines dichten, aber sorgfältig rasierten Bartes. Sein Profil glich noch immer dem eines Apolls von Praxiteles, auch hatte er eine gewisse geschlechtslose Würde, wie eine von Nikias bemalte Marmorstatue - so lebensecht, daß man erwartete, sie würde gleich von ihrem Sockel herabsteigen - und doch so in sich selbst ruhend, daß er das Geheimnis seines Wesens verbarg.
    Doch dann brach die marmorne Starre perfekter Schönheit. Metrobius sah Sulla mit einem Ausdruck vollkommener Liebe an und streckte lächelnd die Arme aus.
    Tränen sprangen in Sullas Augen, sein Mund bebte. Als er um den Tisch herumging, stieß er mit der Hüfte schmerzhaft dagegen, doch bemerkte er es nicht. Er sank in die ausgebreiteten Arme, legte sein Kinn auf Metrobius’ Schulter und umschlang ihn. Ihm war, als wäre er erst in diesem Augenblick nach Hause gekommen. Ihr Kuß war wunderbar, ein Akt der Liebe ohne Pflichten, ohne Schmerz.
    »Mein Junge, mein wunderbarer Junge!« flüsterte Sulla und weinte, dankbar, daß wenigstens einige Dinge Bestand hatten.
     
    Vor dem offenen Fenster des Arbeitszimmers stand Julilla und beobachtete, wie ihr Ehemann einen schönen jungen Mann umarmte, beobachtete ihren Kuß, hörte die Worte der Liebe. Sie sah die beiden Männer auf das Sofa sinken, sah das intime Ritual einer vertrauten, für beide befriedigenden Beziehung, als wären sie nicht lange getrennt gewesen. Niemand mußte Julilla erklären, daß sie hier den wahren Grund vor Augen hatte, warum Sulla sie vernachlässigte, den wahren Grund,

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