MoR 01 - Die Macht und die Liebe
dir nicht die Schuld für das, was aus Julilla geworden ist.«
»Wen magst du denn von deinen angeheirateten Verwandten?«
Marcia schnaubte. »Nur Aurelia.«
Sulla begleitete sie bis ins Atrium. »Wo ist Julilla eigentlich?« fragte er. Plötzlich wurde ihm bewußt, daß er sie seit Metrobius’ Ankunft weder gehört noch gesehen hatte. Er verspürte ein leises Kribbeln.
»Sicherlich lauert sie irgendwo einem von uns beiden auf«, sagte Marcia. »Wenn sie einen Tag mit Streit beginnt, macht sie weiter, bis sie so betrunken ist, daß sie umfällt.«
Sulla zog verächtlich die Mundwinkel herab. »Ich habe sie nicht mehr gesehen, seit sie aus meinem Zimmer gerannt ist. Kurz danach besuchte mich ein alter Freund. Ich brachte ihn gerade zur Tür, als du mit den Kindern zurückkamst.«
»Normalerweise ist sie nicht so schüchtern«, sagte Marcia und sah den Verwalter an. »Weißt du, wo die Herrin ist?«
»Ich habe sie zuletzt gesehen, als sie in ihr Schlafzimmer ging«, antwortete der Verwalter. »Soll ich ihre Sklavin fragen?«
»Nein, laß nur.« Marcia blickte Sulla kurz an. »Ich glaube, wir beide sollten jetzt gleich zu ihr gehen, Lucius Cornelius. Vielleicht wird sie vernünftig, wenn wir ihr erklären, was passieren wird, wenn sie sich nicht aus ihrem Schweinestall befreit.«
Und so fanden sie Julilla, verkrümmt und leblos lag sie da. Ihre feinen Wollschals hatten wie Löschpapier das meiste Blut aufgesogen, und es sah aus, als wäre sie in feuchtes, rostiges Scharlachrot gekleidet, eine Nereide aus einem Vulkan.
Marcia griff nach Sullas Arm, sie schwankte. Er legte seinen Arm um sie und stützte sie.
Doch sie war die Tochter von Quintus Marcius Rex, und einen Augenblick später hatte sie sich wieder eisern unter Kontrolle. »Das ist eine Lösung, mit der ich nicht gerechnet habe«, sagte sie scheinbar ungerührt.
»Ich auch nicht«, antwortete Sulla, der an Blut und Tod gewöhnt war.
»Was hast du eigentlich zu ihr gesagt?«
Sulla schüttelte den Kopf. »Nichts, was das hier hätte auslösen können, soweit ich mich erinnere. Die Sklaven werden es vielleicht wissen, zumindest Julillas Teil in unserem Streit müssen sie gehört haben.«
»Ich glaube nicht, daß es gut wäre, sie zu fragen«, meinte Marcia. Plötzlich drängte sie sich an ihn, sie suchte den Schutz seines Körpers. »In gewisser Weise ist das die beste Lösung, Lucius Cornelius. Es ist mir lieber, daß die Kinder durch ihren Tod einen Schock erleiden, als daß sie das langsame Siechtum einer Säuferin erleben. Sie sind noch klein und werden vergessen. Wenn sie etwas älter wären, würden sie alles viel bewußter erleben.« Marcia ließ ihren Kopf gegen Sullas Brust sinken. »Ja, es ist bei weitem die beste Lösung.« Tränen traten unter ihren geschlossenen Augenlidern hervor.
»Ich bringe dich in dein Zimmer«, sagte Sulla und führte sie aus dem blutgetränkten Schlafzimmer. »Ich Narr habe völlig vergessen, daß mein Schwert hier hängt.«
»Warum wirfst du dir das vor?«
»Zu späte Einsicht.« Sulla wußte genau, warum Julilla sein Schwert gesucht und genommen hatte; sie mußte seine Begegnung mit Metrobius durch das Fenster seines Arbeitszimmers beobachtet haben. Marcia hatte recht. Dies war bei weitem die beste Lösung. Und er hatte diesmal keinen Finger rühren müssen.
Das Zauberwort hatte gewirkt. Bei den Konsulwahlen, die kurz nach der Amtseinführung der neuen Volkstribunen am zehnten Tag des Dezembers stattfanden, wurde Gaius Marius erneut zum ersten Konsul gewählt. Denn niemand konnte die Aussage des Lucius Cornelius Sulla oder Saturninus’ Behauptung bezweifeln, daß nur noch ein Mann fähig war, die Germanen zu schlagen. Die alte Angst vor den Germanen flutete durch Rom wie der Tiber bei Hochwasser, und wieder einmal wurde Sizilien von seinem Platz ganz oben auf der Liste der Krisen verdrängt, die niemals kürzer zu werden schien.
»Sobald wir eine Krise bewältigt haben, taucht aus dem Nichts die nächste Krise auf«, sagte Marcus Aemilius Scaurus zu Quintus Caecilius Metellus Numidicus Schweinebacke.
»Das gilt auch für Sizilien«, meinte Lucullus’ Bruder in giftigem Ton. »Wie konnte nur Gaius Marius diesen Ahenobarbus Pimmel unterstützen, als er forderte, Lucius Lucullus müsse als Statthalter von Sizilien abgelöst werden? Und ausgerechnet durch Servilius den Augur! Der ist doch nur ein homo novus , der sich hinter einem alten Namen versteckt!«
»Er wollte dich nur bis zur Weißglut reizen,
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