MoR 01 - Die Macht und die Liebe
warum sie trank und warum sie sich an ihm rächte, indem sie ihre Kinder vernachlässigte. Seine Kinder.
Julilla wartete nicht, bis die beiden Männer ihre Kleider abzulegen begannen. Sie wandte sich um und ging hoch erhobenen Hauptes in das Schlafzimmer, das sie mit Lucius Cornelius Sulla teilte, ihrem Ehemann. Neben dem Schlafzimmer befand sich eine kleine Kleiderkammer, die jetzt, nach Sullas Rückkehr, überfüllt war. Dort hing seine Paraderüstung auf einem T-förmigen Gestell, der Helm ruhte auf einem besonderen Ständer. Sein Schwert, dessen Griff ein Adlerkopf aus Elfenbein zierte, hing samt Scheide und Wehrgehänge an der Wand.
Es war kein Problem, das Schwert herunterzunehmen, es aus Scheide und Gehänge zu lösen, war schon schwieriger. Doch schließlich gelang es ihr. Sie atmete heftig ein, als die blitzend scharf geschliffene Schneide bis auf den Knochen in ihre Hand schnitt. Überrascht stellte sie fest, daß sie auch in diesem Augenblick noch einen körperlichen Schmerz empfinden konnte, doch sie schob den Schmerz und die Überraschung beiseite, beides war jetzt unwichtig. Ohne zu zögern, packte sie das Schwert an seinem Elfenbeingriff, setzte die Spitze auf ihre Brust und stürzte sich gegen die Wand.
Julilla war nicht sehr geschickt. Sie fiel in einem Gewirr von Blut und Schleiern zu Boden, das Schwert ragte aus ihrem Leib. Ihr Herz schlug und schlug und schlug, sie hörte ihren Atem rasseln, als stünde jemand hinter ihr, der ihr nach dem Leben trachtete. Doch sie hatte kein Leben mehr, was spielte es noch für eine Rolle? Und dann spürte sie, wie der Tod sie ergriff, fühlte, wie ihr eigenes warmes Blut den Körper verließ. Aber sie war eine Julius Caesar, sie rief nicht um Hilfe, und in der kurzen Zeit, die ihr noch blieb, bereute sie ihre Entscheidung nicht. Sie dachte nicht an ihre beiden Kinder, sie dachte nur an ihre eigene Dummheit, daß sie all die Jahre einen Mann geliebt hatte, der Männer liebte.
Genügend Grund zu sterben. Sie wollte nicht leben und ausgelacht und verhöhnt werden - von Frauen, die mit Männern verheiratet waren, die Frauen liebten. Als das Blut verrann und ihr Leben mit sich nahm, wurde ihr brennendes Denken kühler und - oh, wie wunderbar es war, ihn endlich nicht mehr lieben zu müssen! Keine Qualen mehr, keine Furcht, keine Erniedrigung, kein Wein! Sie hatte ihn angefleht, ihr zu zeigen, wie sie aufhören könne, ihn zu lieben - er hatte es ihr gezeigt. So freundlich war er zuletzt zu ihr gewesen, ihr Liebster Sulla. Doch als sie in den seichten Ozean des Todes watete, galten ihre letzten bewußten Gedanken ihren Kindern, in ihnen würde wenigstens etwas von ihr bleiben. Und sie wünschte ihren Kindern ein langes, glückliches Leben.
Sulla setzte sich wieder an seinen Arbeitstisch. »Dort drüben steht eine Karaffe Wein. Gieß mir auch einen Becher ein«, bat er Metrobius.
Wie ähnlich der Mann noch dem Jungen war, wenn sich sein Gesicht belebte! Dann fiel es auch leichter, sich daran zu erinnern, daß der Junge einst jeden Luxus abgelehnt hatte und mit seinem Liebsten Sulla die Armut hatte teilen wollen.
Metrobius lächelte, stellte den Wein vor Sulla hin und setzte sich dann in den Besucherstuhl. »Ich weiß, was du jetzt sagen willst, Lucius Cornelius. Das darf nicht zur Gewohnheit werden.«
»Richtig. Unter anderem.« Sulla nippte an dem Wein und sah dann Metrobius streng an. »Es ist nun einmal nicht möglich, liebster Junge. Nur manchmal, wenn das Bedürfnis oder der Schmerz, oder was es ist, unerträglich wird. Ich stehe ganz knapp vor der Verwirklichung all meiner Wünsche. Das bedeutet, daß ich dich nicht auch noch verlangen darf. Wenn wir in Griechenland lebten, ginge das. Aber wir leben in Rom. Wenn ich der Erste Mann in Rom wäre, ginge es. Aber ich bin es nicht, Gaius Marius ist der Erste Mann.«
Metrobius verzog das Gesicht. »Ich verstehe schon.«
»Bist du noch immer beim Theater?«
»Natürlich. Die Schauspielerei ist alles, was ich kann. Außerdem war Skylax ein guter Lehrer, das muß ich ihm lassen. Es fehlt mir nicht an Rollen, und ich habe nur selten Ruhepausen.« Er räusperte sich und sah ein wenig befangen aus. »Nur eins hat sich geändert. Ich bin tragisch geworden.«
»Tragisch?«
»Ja. Es wurde nämlich immer deutlicher, daß mir die Begabung zum wahren Komödianten fehlt. Solange ich ein Kind war, machte das nichts aus. Aber als ich aus Cupidos Flügeln herausgewachsen war und keine kleinen, fröhlichen Schelme mehr
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