MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Hilfstruppen aus Camerinum in Picenum habe er noch auf dem Schlachtfeld von Vercellae das volle römische Bürgerrecht zugesprochen. Er habe seine Befugnisse als Konsul weiterhin mit der Ankündigung überschritten, in der kleinen Stadt Eporedia in Gallia Cisalpina eine Kolonie für römische Veteranen zu gründen. Weiter hieß es in dem Brief:
Gaius Marius hat diese verfassungswidrige Kolonie gegründet, um sich an dem Gold zu bereichern, das die Dora Baltea bei Eporedia anschwemmt. Der Prokonsul Quintus Lutatius Catulus möchte außerdem mit allem Nachdruck betonen, daß er die Schlacht von Vercellae gewonnen hat, nicht Gaius Marius. Als Beweis lege ich die 35 germanischen Feldzeichen vor, die sich in meinem Besitz befinden; Gaius Marius kann lediglich zwei Feldzeichen vorweisen. Als Sieger von Vercellae stehen mir alle Gefangenen zu, die als Sklaven verkauft wurden. Gaius Marius beansprucht beharrlich ein Drittel für sich.
Marius sorgte dafür, daß der Inhalt des Briefs seinen und Catulus Caesars Soldaten zu Ohren kam. Er hatte eigenhändig einen nüchternen Nachsatz hinzugefügt: Bis auf das Drittel, das er für sich beanspruche, gehe der Erlös aus dem Verkauf der in der Schlacht von Vercellae gefangengenommenen Kimbern an das Heer von Quintus Lutatius Catulus. Seine eigenen Truppen, führte Marius aus, hätten bereits den Erlös aus dem Verkauf der teutonischen Gefangenen aus der Schlacht von Aquae Sextiae erhalten. Er wolle nicht, daß sich die Truppen von Catulus Caesar benachteiligt fühlten. Daher sollten sie wissen, daß Catulus Caesar seine zwei Drittel aus dem Verkauf der kimbrischen Sklaven für sich selbst behalten wolle - was sein gutes Recht sei.
Glaucia verlas beide Briefe auf dem Forum in Rom, und das Volk lachte sich krank. Niemand hatte jetzt noch Zweifel, wer der wahre Sieger war, wer das Wohl seiner Truppe über sein eigenes stellte.
»Du mußt mit deiner Verleumdungskampagne gegen Gaius Marius aufhören«, sagte der Senatsvorsitzende Scaurus zu Metellus Numidicus, »oder es wird Ohrfeigen hageln, wenn du das nächste Mal auf dem Forum erscheinst. Und Quintus Lutatius solltest du einen entsprechenden Brief schreiben. Ob es uns paßt oder nicht, Gaius Marius ist der Erste Mann in Rom. Er hat den Krieg gegen die Germanen gewonnen, und ganz Rom weiß das. Er ist der Held, der Halbgott, das Volk betet ihn an. Wenn du versuchst, ihn zu Fall zu bringen, wirst du die ganze Stadt gegen dich haben, Quintus Caecilius.«
»Scheiß auf das Volk!« Metellus Numidicus’ Nerven waren zur Zeit nicht die besten. Er mußte das Treiben seiner Schwester Metella Calva und ihrer jeweiligen Liebhaber, einer übler als der andere, in seinem Haus dulden.
»Schau, uns stehen noch andere Wege offen«, drängte Scaurus. »Du kannst dich zum Beispiel noch einmal um das Amt des Konsuls bewerben. Ob du es glaubst oder nicht, es ist schon zehn Jahre her, seit du Konsul warst! Gaius Marius wird sich todsicher wieder bewerben. Wäre es nicht nett, ihm in seiner sechsten Amtszeit als Konsul einen solchen Mitkonsul wie dich aufzuhalsen?«
»Oh, wann werden wir endlich diese Krankheit namens Gaius Marius los sein!« jammerte Numidicus.
»Wenn alles gut geht, dauert es nicht mehr lange. Ein Jahr. Höchstens.« Scaurus wirkte sehr zuversichtlich.
»Bis in alle Ewigkeit wahrscheinlich.«
»Aber nein, Quintus Caecilius, du gibst zu früh auf! Wie Quintus Lutatius läßt du dich von deinem Haß auf Gaius Marius leiten. Gebrauche deinen Kopf! Wieviel Zeit von seinen fünf langen Amtszeiten als Konsul hat Gaius Marius in Rom verbracht?«
»Ein paar Tage vielleicht. Was hat das damit zu tun?«
»Es ist der entscheidende Punkt, Quintus Caecilius! Gaius Marius ist kein großer Politiker. Als Soldat und Stratege ist er unübertrefflich. Wenn seine Welt auf nichts als Curia und Comitia zusammenschrumpft, wird der Glanz schnell abblättern, das laß dir gesagt sein! Wir werden dafür sorgen, daß er keinen Fuß auf den Boden bekommt! Wir werden ihn reizen wie einen Stier, unsere Zähne in seinem Kadaver verbeißen und nicht mehr loslassen. Wir werden ihn zu Fall bringen! Warte nur ab, du wirst es erleben.«
Scaurus klang sehr siegesgewiß.
Metellus Numidicus war wie gebannt von diesen neuen Perspektiven, die Scaurus ihm eröffnet hatte. Er lächelte. »Ja, ich verstehe, Marcus Aemilius. Sehr gut. Ich werde für das Konsulat kandidieren.«
»Gut! Du wirst es schaffen! Wir werden noch den letzten Rest von Einfluß, den wir
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