MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Entscheidung, Lucius Appuleius.« Marius geriet ins Träumen. »Wir brauchen Römer aus der Unterschicht in unseren Provinzen. Vor allem Veteranen.«
Eine so schöne Vision, aber Saturninus verstand nicht, um was es ging. »Ja, wir haben alle die Rede im Senat gehört - römische Lebensart in die Provinzen tragen. Und wir haben auch alle die Antwort von Delmaticus gehört. Was steckt wirklich hinter deinen Plänen, Gaius Marius?«
Marius’ Augen funkelten unter seinen buschigen Augenbrauen. »Wie scharfsinnig du bist, Saturninus! Natürlich steckt noch mehr dahinter.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl nach vorne. »Heere in die Provinzen zu schicken, die dort Aufstände niederschlagen und die Gesetze hüten, kostet Rom eine Menge Geld. Schau dir nur Makedonien an. Zwei Legionen sind dort ständig im Einsatz - zwar keine römischen Legionen, aber immerhin, auch die kosten den Staat Geld, das er anderswo besser verwenden könnte. Jetzt stell dir einmal vor, zwanzig- oder dreißigtausend römische Veteranen würden dort verteilt in drei oder vier Kolonien leben. Was wäre dann? Griechenland und Makedonien sind so spärlich besiedelt, seit einem Jahrhundert schon, das Volk hat das Land verlassen. Überall Geisterstädte! Riesige Ländereien gehören römischen Grundbesitzern, die sich nie dort blicken lassen, wenig produzieren, nichts in das Land investieren und zu geizig sind, um die einheimische Bevölkerung zu beschäftigen. Wenn dann ein paar Skordisker einfallen und es Krieg gibt, jammern die Grundbesitzer in Rom dem Senat die Ohren voll, und der Statthalter rennt hin und her, muß mit plündernden Kelten und wütenden Briefen aus Rom gleichzeitig fertig werden. Und genau dieses Land, das von Rom aus mehr schlecht als recht verwaltet wird, möchte ich besser nutzen. Ich möchte dort Kolonien von Veteranen ansiedeln. Das Land wäre viel dichter besiedelt - und für den Fall eines ernsten Krieges stünde eine Besatzungsarmee auf Abruf bereit.«
»Und dieser Gedanke kam dir in Africa«, sagte Saturninus.
»Ja, als ich riesige Latifundien an Männer in Rom verteilte, die äußerst selten, wenn überhaupt jemals, einen Fuß nach Africa setzen werden. Sie schicken ihre Verwalter und Heere von Sklaven für den Feldbau, die Lebensbedingungen im Land und die Menschen dort sind ihnen vollkommen egal. Sie verhindern den Fortschritt in Africa und öffnen damit einem neuen Jugurtha Tor und Tür. Ich bin nicht prinzipiell dagegen, daß Römer Land in den Provinzen besitzen - aber in einigen Landstrichen der Provinzen sollten gut ausgebildete, tüchtige Römer in großer Zahl leben, an die wir uns in Notzeiten wenden können.« Er zwang sich, seine Unruhe, die Dringlichkeit seiner Wünsche zu verbergen. »Wir haben schon ein kleines Beispiel, wie hilfreich Veteranenkolonien in fremden Ländern in Notzeiten sein können. Auf der Insel Meninx habe ich persönlich eine erste kleine Gruppe angesiedelt. Als die Leute von dem Sklavenaufstand in Sizilien erfuhren, stellten sie selbständig Einheiten auf und mieteten ein paar Schiffe. Sie kamen gerade noch rechtzeitig in Lilybaeum an, um zu verhindern, daß die Stadt dem selbsternannten Sklavenkönig Athenion in die Hände fiel.«
»Jetzt verstehe ich, was du erreichen willst, Gaius Marius. Das ist ein ausgezeichneter Plan«, sagte Saturninus.
»Aber sie werden mich bekämpfen, und wenn es nur deshalb ist, weil eben ich es bin«, seufzte Marius.
Saturninus lief ein Schauer den Rücken hinunter. Schnell wandte er den Kopf ab und gab vor, die Spiegelung des Himmels, der Wolken, der Bäume und der Berge im glasklaren Wasser des Sees zu bewundern. Marius war müde! Marius wurde alt! Marius freute sich überhaupt nicht auf eine sechste Amtszeit als Konsul!
»Du hast sicher das Geschrei und Gezeter in Rom mitbekommen, als ich diesen tapferen Soldaten aus Camerinum das Bürgerrecht verliehen habe?« fragte Marius.
»Ja, natürlich. Ganz Italien hat das Spektakel mitbekommen. Und ganz Italien war begeistert. Nur den großen Politikern in Rom hat es ganz und gar nicht gefallen«, sagte Saturninus.
»Aber warum sollen sie eigentlich nicht römische Bürger werden?« fragte Marius verärgert. »Sie haben besser als irgend jemand sonst auf dem Schlachtfeld gekämpft, Lucius Appuleius, das kann man doch nicht leugnen. Wenn es nach mir ginge, würde ich jedem Mann in ganz Italien das Bürgerrecht zusprechen.« Er holte tief Luft. »Wenn ich sage, ich brauche Land für die Veteranen aus der
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