MoR 01 - Die Macht und die Liebe
lachte sie an. Was für ein schöner Mann er war, auf eine so ungewöhnliche Art! Wie beunruhigend seine Augen schimmerten - so hell - und so umgeben von Dunkelheit. Wie die Augen ihres Sohnes. Aus irgendeinem Grund zitterte sie bei diesem Gedanken.
»Ja, Aurelia, es ist alles in Ordnung«, sagte Sulla.
»Wenn ich nur glauben könnte, daß du mir die Wahrheit sagst.«
Er wollte noch etwas sagen, aber in diesem Augenblick kam Cardixa mit dem Stammhalter der Familie Caesar auf dem Arm herein.
»Wir sind auf dem Weg in den vierten Stock«, sagte Cardixa.
»Zeig ihn zuerst Lucius Cornelius, Cardixa.«
Aber die einzigen Kinder, die Sulla wirklich interessierten, waren seine eigenen zwei. Pflichtschuldig betrachtete er das Baby, dann warf er einen prüfenden Blick auf Aurelia, ob sie zufrieden war.
»Also, dann los, Cardixa«, sagte Aurelia und erlöste damit Sulla aus seinen Qualen. »Wer ist heute vormittag dran?«
»Sarah.«
Aurelia wandte sich Sulla mit einem offenen, unbefangenen Lächeln zu. »Ich habe keine Milch, leider! Das ist einer der vielen Vorteile, wenn man in einem großen Mietshaus wohnt. Es gibt immer mindestens ein halbes Dutzend stillende Mütter, und alle sind so nett und säugen meine Kinder mit.«
»Wenn er einmal groß ist, wird er die ganze Welt lieben«, sagte Sulla. »Deine Mieter kommen doch sicher aus der ganzen Welt.«
»Stimmt. Das macht das Leben farbiger.«
Sulla starrte wieder in den Hof.
»Lucius Cornelius, du bist ja gar nicht ganz hier«, klagte sie sanft. »Du hast doch etwas! Willst du es nicht mit mir teilen? Oder ist es eine von diesen Schwierigkeiten, die nur Männer etwas angehen?«
Er setzte sich auf das Sofa ihr gegenüber. »Ich habe einfach kein Glück mit den Frauen«, sagte er kurz.
Aurelia blinzelte. »Inwiefern?«
»Mit den Frauen, die ich - liebe. Mit den Frauen, die ich heirate.«
Interessant. Es fiel ihm leichter, über das Heiraten zu sprechen als über die Liebe. »Und um was geht es in diesem Fall?« fragte Aurelia.
»Um beides ein bißchen. In eine Frau bin ich verliebt, mit einer anderen verheiratet.«
»Ach, Lucius Cornelius!« Sie sah ihn mit echter Zuneigung, aber ohne jedes Verlangen an. »Ich frage dich nicht, um wen es geht, das will ich gar nicht wissen. Stell du mir die Fragen, und ich will versuchen, Antworten zu finden.«
Er zuckte die Achseln. »Viel gibt es nicht zu erzählen. Ich bin mit Aelia verheiratet, die unsere Schwiegermutter für mich ausgesucht hat. Nach Julilla wollte ich eine echte römische Hausfrau, jemand wie Julia oder wie du, wenn du ein bißchen älter wärst. Als Marcia mir Aelia vorstellte, dachte ich, sie wäre genau die Richtige: ruhig, ausgeglichen, humorvoll, gutaussehend, nett. Ich war begeistert! Endlich hatte ich meine römische Hausfrau. Ich kann sowieso niemand lieben, dachte ich, dann kann ich ja jemand heiraten, den ich gut leiden mag.«
»Deine germanische Frau mochtest du wohl«, sagte Aurelia leise.
»Ja, sehr. Ich vermisse sie immer noch, auf eine gewisse Art. Aber sie ist keine Römerin, was soll ich als römischer Senator mit ihr? Nun gut, ich meinte, daß es mit Aelia genauso werden würde wie mit Hermana.« Er lachte hart und bitter. »Aber weit gefehlt! Aelia ist dumm, farblos und langweilig. Ja, wirklich nett, aber nach ein paar Augenblicken in ihrer Gesellschaft fange ich an zu gähnen!«
»Kümmert sie sich gut um deine Kinder?«
»Sehr gut. Da kann ich mich nicht beklagen!« Er lachte wieder. »Ich hätte sie als Kindermädchen einstellen sollen - dafür ist sie genau die Richtige! Sie liebt die Kinder, und die Kinder lieben sie.«
Er sprach jetzt beinahe so, als wäre Aurelia gar nicht da oder als zählte sie nicht als Zuhörerin, sondern als diente ihm ihre Gegenwart nur als Entschuldigung, damit er das laut aussprechen konnte, was er schon lange insgeheim dachte. »Ich war gerade aus Gallia Cisalpina zurück, da wurde ich zu einer Abendgesellschaft bei Scaurus eingeladen. Ich fühlte mich geschmeichelt. Und war ein bißchen aufgeregt. Fragte mich, ob sie wohl alle da sein würden - Metellus Schweinebacke und die anderen -, um mich von Gaius Marius loszueisen. Und dann war sie da, die arme Kleine. Scaurus’ Ehefrau. Bei allen Göttern dieser Welt, warum mußte sie ausgerechnet mit Scaurus verheiratet sein? Er könnte ihr Urgroßvater sein! Delmatica. So wird sie genannt. Damit man die vielen tausend Caecilia Metellas nicht durcheinanderbringt. Ich war auf den ersten Blick in sie
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