MoR 01 - Die Macht und die Liebe
verliebt. Zumindest glaube ich, daß es Liebe ist. Es ist auch Mitleid dabei, aber ich kann nicht aufhören, an sie zu denken, dann wird es wohl Liebe sein, oder? Sie ist schwanger. Ist das nicht widerlich? Niemand hat sie gefragt, ob sie ein Kind will, natürlich nicht. Metellus Schweinebacke hat sie Scaurus gegeben, wie man einem Kind einen Honigkuchen gibt. Hier, dein Sohn ist tot, nimm das als Tröstung! Mach noch einen Sohn! Ekelerregend. Und doch, wenn sie nur die Hälfte von dem wüßten, was in mir vorgeht, dann wären sie angewidert. Ich verstehe es nicht, Aurelia. Sie sind viel schamloser, als ich es bin! Aber das würden sie nicht im Traum einsehen.«
Aurelia hatte viel gelernt, seit sie in der Subura lebte. Sie sprach mit vielen Menschen, von Lucius Decumius bis zu den Freigelassenen, die in den beiden obersten Stockwerken hausten. Es passierte allerhand - Dinge, mit denen die Hausbesitzerin zu tun bekam, ob sie es wollte oder nicht. Abtreibung. Zauberei. Mord. Raubüberfälle. Vergewaltigung. Trunksucht und schlimmere Süchte. Wahnsinn. Verzweiflung. Depression. Selbstmord. So etwas kam in jedem Mietshaus vor, immer mußte man selbst damit fertig werden, diese Dinge trug man nicht zum Tribunal des Stadtprätors! Die Menschen erledigten diese Dinge auf ihre eigene Art, und ein rauhes Recht herrschte hier; man fackelte nicht lang. Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben um Leben.
Beim Zuhören setzte sich Aurelia ein Bild von Lucius Cornelius Sulla zusammen, das die Wahrheit ziemlich gut traf. Als einzige unter den römischen Aristokraten, die ihn kannten, verstand sie, wo er herkam, und sie verstand, was für unglaubliche Schwierigkeiten ihm sein Wesen und seine Erziehung bereiteten. Er hatte sich genommen, was ihm als Geburtsrecht zustand - aber das Leben in Rom hatte ihn für alle Zeiten gebrandmarkt.
Während Sulla sprach, gingen ihm andere Dinge durch den Kopf, die er seiner Zuhörerin nicht zu erzählen wagte. Wie verzweifelt er sie haben wollte, die kleine, schwangere Kindfrau von Scaurus, nicht nur wegen ihres Körpers, ihres Wesens. Sie war ideal für seine Zwecke. Aber sie war mit Scaurus verheiratet, er der großartig langweiligen Aelia verbunden. Keine confarreatio diesmal. Dennoch - Scheidung war ein zu scheußliches Geschäft, diese Lektion hatte er schon vor Delmatica gelernt. Frauen. Er würde nie Glück haben mit Frauen, das fühlte er im Innersten. War es wegen seiner anderen Seite? Dieses wunderbare, schöne, phantastische Verhältnis mit Metrobius! Und trotzdem wollte er mit Metrobius nicht leben, ebensowenig wie er mit Julilla hatte leben wollen. Vielleicht war es das - er wollte sich nicht teilen. Das war zu gefährlich. Ach, wie begehrte er Caecilia Metella Delmatica, die Frau des Senatsvorsitzenden Marcus Aemilius Scaurus! Es war widerlich. Nicht, daß er normalerweise etwas dagegen hatte, wenn sich alte Männer halbe Kinder zur Frau nahmen. Aber dieser Fall war persönlich. Er war verliebt in sie, darum war sie etwas Besonderes.
»Mochte sie - Delmatica - dich auch, Lucius Cornelius?« durchbrach Aurelia seine Gedanken.
Sulla zögerte nicht einen Augenblick. »0 ja, da gibt es keinen Zweifel!«
»Was willst du dann jetzt machen?«
Er seufzte. »Ich bin zu weit gekommen, ich habe zu viel bezahlt! Ich kann nicht mehr zurück, Aurelia! Auch nicht für Delmatica; wenn ich ein Verhältnis mit ihr anfinge, würden sämtliche boni dafür sorgen, daß ich ruiniert wäre. Außerdem habe ich nicht viel Geld. Es reicht gerade so, um im Senat durchzukommen. Bei den Germanen habe ich ein bißchen zugelangt, aber nicht mehr, als mir zustand. Der Weg, den ich noch vor mir habe, wird nicht leicht sein. Mit mir geht es ihnen wie mit Gaius Marius, wenn auch aus anderen Gründen. Keiner von uns paßt zu ihren verfluchten Idealen. Sie kommen nicht darauf, warum wir es können und sie nicht. Sie fühlen sich benutzt, ausgenutzt. Ich bin eindeutig besser dran als Gaius Marius. Ich habe wenigstens das richtige Blut. Aber es ist von der Subura befleckt. Schauspieler. Leben im Sumpf. Ich gehöre eben nicht zu den boni .« Er holte tief Luft. »Und dennoch, Aurelia, ich werde an ihnen allen vorbeiziehen! Ich bin das beste Pferd im Rennen!«
»Und wenn es den Preis nicht wert ist?«
Er schaute sie mit großen Augen an, verwundert, daß sie so beschränkt dachte. »Es geht nicht um den Preis! Niemals! Darum geht es uns nicht, keinem von uns. Wenn sie uns ins Geschirr nehmen, damit wir unsere sieben Runden
Weitere Kostenlose Bücher