MoR 01 - Die Macht und die Liebe
ich dich mit größtem Vergnügen zu Hause willkommen.«
»Ich danke dir, Senatsvorsitzender, und euch, eingeschriebene Väter, meine Magistratskollegen.« Marius’ Stimme war klar, kein Wort kam verzerrt aus seinem Mund. Gegen seinen Willen zog der Anflug eines Lächelns seinen rechten Mundwinkel nach oben, der linke hing traurig nach unten. »Wenn es euch ein Vergnügen ist, mich zu Hause willkommen zu heißen, so ist mein Vergnügen, endlich zu Hause zu sein, wohl zehnmal so groß. Wie ihr seht, war ich krank.« Er zog hörbar den Atem ein, seine Stimme bebte vor Trauer. »Wenn ich auch die Krankheit überwunden habe, so bin ich doch davon gezeichnet. Bevor ich dieses Haus zur Ordnung rufe und wir uns den Geschäften widmen können, die dringend unserer Aufmerksamkeit bedürfen, möchte ich eine Erklärung abgeben. Aus zweierlei Gründen werde ich mich nicht um die Wiederwahl als Konsul bewerben. Erstens meine ich, daß die Notlage, in der sich unser Staat befand und die mir die einmalige Ehre verschaffte, so viele Male hintereinander Konsul zu werden, nun endgültig und für immer ihr glückliches Ende gefunden hat. Zweitens glaube ich, daß mir mein Gesundheitszustand nicht erlauben wurde, meinen Pflichten ordnungsgemäß nachzukommen. Ganz offensichtlich trage ich die Verantwortung für das gegenwärtige Chaos in Rom. Der erste Konsul müßte in dieser Situation in Rom sein, wozu ist er schließlich da? Ich klage weder Lucius Valerius noch Marcus Aemilius noch irgendeinen anderen Amtsträger dieser Versammlung an. Der erste Konsul muß die Führung innehaben, und ich konnte meine Führung nicht wahrnehmen. Daraus habe ich gelernt, daß ich nicht mehr als Konsul kandidieren darf. Der erste Konsul muß gesund sein.«
Niemand antwortete. Niemand rührte sich. Sein verzerrtes Gesicht hatte vermuten lassen, daß so etwas in der Luft lag, aber die Fassungslosigkeit war ein Beweis dafür, wie sehr er in den letzten fünf Jahren den Senat beherrscht hatte. Ein Senat ohne Gaius Marius auf dem Stuhl des Konsuls! Undenkbar! Selbst der Senatsvorsitzende Scaurus und Catulus Caesar waren schockiert.
Dann ertönte eine Stimme aus der letzten Reihe hinter Scaurus. »G-g-gut! Jetzt ka-ka-kann mein Va-Va-Vater na-nach Hause koko-kommen.«
»Vielen Dank für dieses Kompliment, junger Metellus.« Marius blickte ihn direkt an. »Du setzt voraus, daß ich allein der Grund bin, warum dein Vater noch im Exil auf Rhodos ist. Das ist aber, wie du wissen müßtest, nicht der Fall. Die Gesetze dieses Staates halten Quintus Caecilius Metellus Numidicus im Exil fest. Und ich fordere jedes einzelne Mitglied dieser hochverehrten Versammlung auf, sich diese Tatsache ins Gedächtnis zurückzurufen! Auch wenn ich nicht Konsul bin, darf keine Verordnung, kein Beschluß des Volkes, kein Gesetz übertreten werden!«
»Jung und dumm«, flüsterte Scaurus zu Catulus Caesar. »Wenn er das nicht gesagt hätte, hätten wir Quintus Caecilius Anfang nächsten Jahres in aller Stille zurückholen können. Jetzt wird es nicht klappen! Der junge Metellus hätte einen ganz anderen Spitznamen verdient!«
»Und zwar?« fragte Catulus Caesar.
»Metellus Pi-Pi-Pius!« Scaurus war wütend. »Metellus, der brave Sohn, der ständig darum kämpft, daß sein Papa nach Hause kommt. Und es dauernd ver-ver-vermasselt!«
Es war schon erstaunlich, wie schnell der Senat zur Tagesordnung überging, jetzt, wo Gaius Marius wieder im Amtsstuhl saß. Das ganze Haus war von einem wohligen Gefühl durchdrungen, als ob die Menschenmenge vor der Tür seit Gaius Marius’ Rückkehr keine Bedrohung mehr darstellte.
Marius nickte nur zustimmend, als man ihn davon unterrichtete, daß die Kandidatenvorstellung ausnahmsweise auf dem Marsfeld stattfinden sollte. Dann befahl er Saturninus kurzerhand, die Versammlung der Plebs einzuberufen und die Tribunen wählen zu lassen, denn solange das nicht geschehen war, konnten die übrigen Amtsträger nicht gewählt werden.
Danach faßte Marius Gaius Servilius Glaucia scharf ins Auge, der auf dem Amtsstuhl des Stadtprätors schräg hinter Marius saß. »Ich habe ein Gerücht gehört, Gaius Servilius«, sagte Marius zu Glaucia, »daß du aufgrund von Unstimmigkeiten, die du angeblich in der lex Villia gefunden hast, für das Amt des Konsuls kandidieren willst. Tu das bitte nicht. Die lex Villia annalis legt eindeutig fest, daß zwischen dem Ende der Amtszeit als Stadtprätor und dem Beginn der Amtszeit als Konsul zwei Jahre liegen
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