MoR 01 - Die Macht und die Liebe
»Er hinterließ mir sein gesamtes Vermögen, und ich wurde ziemlich reich. Damals machten die Soldaten reiche Beute.«
»Mir bricht das Herz«, sagte Sulla. Er steckte sein Rasierzeug in einen Leinenbeutel und ließ den Beutel in eine Satteltasche gleiten.
Nikopolis verzog das Gesicht. »Das hier ist ein furchtbares Haus. Wie ich es hasse! Alle sind verbittert und unglücklich. Wir beleidigen und verachten einander und sagen einander böse Dinge. Warum bleibe ich hier?«
»Weil du, meine Liebe, auch nicht mehr die Jüngste bist«, antwortete er.
»Und du haßt uns alle«, sagte sie. »Ist die Stimmung im Haus deshalb so schlimm? Es wird jeden Tag schlimmer.«
»Richtig. Und deshalb gehe ich auch für eine Zeitlang weg.« Er schloß die beiden Satteltaschen und hob sie ohne Mühe hoch. »Ich will frei sein. Ich will mein Geld in irgendeiner Stadt durchbringen, wo keiner meine dumme Visage kennt. Ich will fressen und saufen, bis ich alles wieder herauskotze. Ich will mindestens ein halbes Dutzend Weiber schwängern, und jeder Strichjunge, der mir über den Weg läuft, wird einen wunden Arsch kriegen.« Sulla lächelte böse. »Dann, meine Liebe, komme ich wieder ganz zahm hierher zurück. Zu dir, zu unserem klebrigen Stichus und zu Tantchen Clitumna. Und dann leben wir glücklich zusammen bis ans Ende unserer Tage.«
Sulla sagte ihr nicht, daß er Metrobius mitnehmen würde.
Er erzählte niemandem, nicht einmal Metrobius, was er eigentlich vorhatte. Denn er plante keine Ferien. Er plante eine Bildungsreise. Er wollte sich mit Dingen wie Arzneimittelkunde, Chemie und Botanik beschäftigen.
Sulla kehrte erst Ende April nach Rom zurück. Er setzte Metrobius vor Skylax’ eleganter Wohnung im Erdgeschoß eines Hauses auf dem Caelius ab. Dann gab er die Maulesel und den Wagen zurück, die er gemietet hatte, warf die Satteltaschen über die linke Schulter und betrat Rom zu Fuß. Auf dem Caelius standen zwar ein paar teure Mietshäuser, doch bis zum Capena-Tor wirkte die Gegend recht ländlich. Erst nach dem Tor begann die eigentliche Stadt, zwar noch nicht das undurchdringliche Straßengewirr der Subura und des Esquilin, aber doch schon erkennbar kein Dorf mehr. Sulla ging am Circus Maximus entlang und die Cacus-Treppen zum Palatin hinauf. Von hier war es nur noch ein kurzes Stück bis zu Clitumnas Haus.
Vor der Tür holte Sulla tief Luft, dann betätigte er den Türklopfer. Zwei kreischende Weiber flogen ihm an den Hals. Es war offenkundig, daß sich Nikopolis und Clitumna freuten, ihn wiederzusehen. Sie weinten und heulten und klammerten sich an ihn, bis er sie von sich stieß.
»Wo soll ich schlafen?« fragte Sulla. Er weigerte sich, die Satteltaschen dem Diener zu übergeben, der geradezu begierig schien, sie ihm abzunehmen.
»Bei mir«, sagte Nikopolis triumphierend. Clitumna schien auf einmal niedergeschlagen.
Sulla bemerkte, daß die Tür des Arbeitszimmers geschlossen war. Er folgte Nikopolis zum Säulengang hinaus, seine Stiefmutter Clitumna blieb händeringend im Atrium zurück.
»Hat sich der klebrige Stichus gut eingenistet?« fragte er Nikopolis, als sie deren Zimmer erreichten.
»Hier«, sagte sie, ohne seine Frage zu beachten. Sie wollte ihm unbedingt seine neue Unterkunft zeigen.
Sie hatte ihm ihr geräumiges Wohnzimmer überlassen und für sich selbst nur ein Schlafzimmer und eine kleine Kammer behalten. Sulla fühlte Dankbarkeit in sich aufsteigen, und er sah Nikopolis wehmütig an. Er mochte sie in diesem Augenblick mehr als je zuvor.
Er warf die Satteltaschen auf das Bett. »Und Stichus?« Er brannte darauf zu erfahren, wie schlimm es hier im Haus stand.
Natürlich sehnte Nikopolis sich danach, von ihm geküßt zu werden, mit ihm zu schlafen. Sie kannte ihn aber auch gut genug, um zu wissen, daß er keine sexuellen Tröstungen brauchte, nur weil er eine Zeitlang auf sie und Clitumna hatte verzichten müssen. Sie seufzte.
»Stichus hat sich wirklich gut eingerichtet.« Sie begann, die Satteltaschen auszupacken.
Sulla schob sie beiseite, stellte die Taschen hinter eine Kleidertruhe und setzte sich in seinen Lieblingsstuhl, der hinter einem neuen Tisch stand. Nikopolis ließ sich auf dem Bett nieder.
»Erzähl mir alles«, sagte er.
»Nun, Stichus wohnt hier, schläft im Herrenzimmer und beansprucht natürlich auch das Arbeitszimmer. Eigentlich ist es sogar besser gelaufen, als zu erwarten war. Selbst Clitumna kann ihn kaum ertragen, wenn sie auf so engem Raum mit ihm zusammenlebt. Ich
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