MoR 02 - Eine Krone aus Gras
man die Sklaven fortgeschickt hatte. Dann mischte er den Wein bedächtig mit Wasser.
»Erlöse ihn von seiner Neugier, Lucius Cornelius, bitte!« seufzte Marius. »Publius Rutilius ist das größte Tratschmaul im Senat.«
»Das ist er, aber du mußt zugeben, daß wir dieser Tatsache höchst unterhaltsame Briefe verdankten, als wir in Afrika und Gallien waren«, sagte Sulla lächelnd.
»Wen?« rief Rutilius Rufus, der nicht abzulenken war.
»Licinia Minor, die jüngere Tochter keines Geringeren als unseres praetor urbanus Lucius Licinius Crassus Orator höchstselbst.«
»Du machst Witze!« japste Rutilius Rufus.
»Keineswegs.«
»Sie ist doch noch gar nicht alt genug!«
»Am Tag vor der Hochzeit wird sie sechzehn, habe ich gehört.«
»Abscheulich!« knurrte Marius mit zusammengezogenen Brauen.
»Wirklich, ich muß sagen, das geht allmählich zu weit!« sagte Rutilius Rufus mit echter Besorgnis. »Achtzehn ist das richtige Alter, und ein Mädchen sollte keinen Tag vorher heiraten! Wir sind schließlich Römer und heiraten keine Kinder wie die Orientalen!«
»Na ja, Ferkel ist wenigstens erst Anfang dreißig«, sagte Sulla beiläufig. »Wie ist das denn mit der Frau von Scaurus?«
»Je weniger darüber gesprochen wird, desto besser!« sagte Publius Rutilius Rufus barsch. Seine Erregung verebbte. »Crassus Orator muß man übrigens bewundern. Natürlich hat er genügend Geld für die Mitgift seiner Töchter, aber er hat sie trotzdem außergewöhnlich gut untergebracht. Die ältere hat keinen Geringeren als Scipio Nasica geheiratet, und jetzt heiratet die jüngere das Ferkel, den einzigen Sohn und Erben. Ich fand es schon schlimm genug, als die ältere, Licinia, mit siebzehn an einen Rohling wie Scipio Nasica verheiratet wurde. Wißt ihr schon, daß sie schwanger ist?«
Marius klatschte nach dem Verwalter. »Geht nach Hause, ihr beiden! Wenn sich das Gespräch bloß noch um Weibertratsch dreht, haben wir alle anderen Themen erschöpft. Schwanger! Setze dich doch gleich zu den Frauen ins Kinderzimmer, Publius Rutilius!«
Die Gäste hatten ihre Kinder zum Abendessen zu Marius mitgebracht, und diese schliefen bereits, als die Eltern gingen. Draußen in der Gasse standen zwei große Sänften: eine für Sullas Kinder Cornelia Sulla und den kleinen Sulla, die andere für die drei Kinder Aurelias, Julia Major, genannt Lia, Julia Minor, genannt Ju-ju, und den kleinen Caesar. Während die Erwachsenen noch im Atrium standen und sich leise unterhielten, trugen ein paar Sklaven die schlafenden Kinder zu den Sänften und legten sie behutsam hinein.
Der Mann, der den kleinen Caesar trug, war Julia, die automatisch mitzählte, unbekannt. Dann zuckte sie zusammen und packte Aurelia heftig am Arm.
»Das ist ja Lucius Decumius!« flüsterte sie aufgeregt.
»Aber natürlich«, antwortete Aurelia erstaunt.
»Aurelia, das darfst du nicht!«
»Unsinn, Julia. Ich brauche Lucius Decumius als starken Beschützer. Du weißt, daß mein Heimweg durch eine zwielichtige Gegend führt. Ich muß durch ein Viertel, in dem Diebe und Straßenräuber hausen und Gott weiß wer sonst noch — ich weiß es nach sieben Jahren immer noch nicht! Ich lasse mich nicht oft von zu Hause weglocken, aber wenn ich einmal ausgehe, lasse ich mich immer von Lucius Decumius und ein paar von seinen Brüdern abholen. Und der kleine Caesar schläft sehr unruhig. Aber wenn Lucius Decumius ihn trägt, rührt er sich nicht.«
»Ein paar von seinen Brüdern?« flüsterte Julia entsetzt. »Willst du vielleicht sagen, daß es bei dir zu Hause noch mehr von seiner Sorte gibt?«
»Nein!« erwiderte Aurelia verächtlich. »Ich meine seine Brüder vom Kreuzwegeverein, Julia — seine Untergebenen.« Sie sah verärgert aus. »Ach, ich weiß gar nicht, warum ich überhaupt noch zu diesen Familienessen komme! Warum könnt ihr nicht verstehen, daß ich mein Leben im Griff habe und dieses besorgte Getue und Geglucke nicht brauche?«
Julia sagte nichts mehr, bis sie mit Gaius Marius zu Bett ging. Der Haushalt war zur Ruhe gekommen, die Sklaven hatten sich in ihr Quartier zurückgezogen, die Tür zur Straße war verschlossen, und dem Göttertrio, das über jedes römische Haus wachte, war ein Opfer gebracht worden: Vesta, der Beschützerin des Herdfeuers, den Penaten, den Schutzgeistern der häuslichen Vorräte, und dem lar familiaris, dem Schutzgeist der Familie.
Im Bett sagte sie endlich: »Aurelia war heute sehr schwierig.«
Marius war müde. Das kam in letzter
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