MoR 02 - Eine Krone aus Gras
konnte. Und Drusus brauchte dringend jemanden, mit dem er vertraulich über sein Tribunal sprechen konnte.
Dreieinhalb Jahre waren seit ihrer letzten Begegnung an jenem denkwürdigen Tag in Bovianum vergangen.
»Es lebt nur noch ein Caepio«, sagte Drusus zu Silo, als sie in seinem Arbeitszimmer darauf warteten, zum Essen gerufen zu werden. »Und Caepio weigert sich nach wie vor, sich um seine legitimen Kinder zu kümmern. Über die beiden Kinder Catos brauche ich nichts weiter zu sagen, als daß sie Waisen sind. Glücklicherweise können sie sich an ihre Mutter gar nicht mehr erinnern, und nur das kleine Mädchen, Porcia, erinnert sich ganz vage an seinen Vater. In dieser furchtbaren und stürmischen Zeit werden die armen Kinder ständig hin und her geworfen. Meine Mutter ist ihr einziger sicherer Anker. Natürlich hat Cato Salonianus ihnen kein Vermögen vererben können. Er hat nur einen Besitz in Tusculum und ein Gut in Lucania. Ich muß dafür sorgen, daß der Junge genug hat, um in den Senat zu kommen, wenn er alt genug ist, und daß das Mädchen eine angemessene Mitgift erhält. Lucius Domitius Ahenobarbus ist mit Cato Salonianus’ Schwester verheiratet, also mit der Tante der kleinen Porcia. Ich habe gehört, daß er ernsthaft vorhat, meine kleine Porcia mit seinem Sohn Lucius zu verheiraten. Ich habe mein Testament bereits gemacht, und ich habe dafür gesorgt, daß auch Caepio sein Testament macht. Ob es ihm paßt oder nicht, Quintus Poppaedius, Caepio kann seine drei Kinder nicht enterben. Er kann auch nicht seine Vaterschaft verleugnen, er kann sich nur weigern, sie zu besuchen. Dieser Hund!«
»Arme kleine Dinger!« sagte Silo, der selbst Kinder hatte. »Der kleine Cato hat weder Mutter noch Vater, nicht einmal eine Erinnerung an sie.«
Ein schiefes Lächeln huschte über Drusus’ Gesicht. »Oh, der ist ein ganz eigenartiger Junge! Dünn wie eine Bohnenstange, mit einem langen Hals und einer gewaltigen Hakennase, wie ich sie bei einem so kleinen Jungen noch nie gesehen habe. Er erinnert mich lebhaft an einen gerupften Geier. Ich bringe es nicht fertig, ihn zu mögen, so sehr ich mir auch Mühe gebe. Er ist noch nicht einmal zwei Jahre alt, stapft aber schon durch das ganze Haus, wobei er seinen Hals vorstreckt und diese gewaltige Nase — oder jedenfalls einen Teil davon! — auf den Boden richtet. Und was für einen Lärm er macht! Er weint nicht leise, er schreit. Er kann nicht mit normaler Stimme sprechen, sondern brüllt immerzu und quält jeden ohne Rücksicht. Wenn ich ihn nur kommen sehe, fliehe ich, auch wenn er mir leid tut!«
»Und die kleine Spionin Servilia?«
»Sie ist ein schweigsames, verschlossenes und sehr gehorsames Mädchen. Aber du darfst ihr nicht über den Weg trauen, Quintus Poppaedius. Das ist auch so eine von denen, die ich nicht leiden kann.« Trauer lag in Drusus’ Stimme.
Silo sah ihn aus gelblichen Augen scharf an. »Wen kannst du denn leiden?«
»Meinen Sohn, Drusus Nero. Ein lieber kleiner Junge. Eigentlich gar nicht mehr so klein. Er ist jetzt acht Jahre alt. Unglücklicherweise ist seine Intelligenz weniger entwickelt als seine Gutmütigkeit. Ich habe damals meiner Frau beizubringen versucht, daß es nicht klug sei, ein Baby zu adoptieren, aber sie hatte nun einmal ihr Herz an ihn verloren, da ließ sich nichts mehr machen. Ich mag auch den jungen Caepio, auch wenn ich nicht glauben kann, daß er Caepios Sohn sein soll! Er ist Cato Salonianus aus dem Gesicht geschnitten und sieht im übrigen auch dem kleinen Cato sehr ähnlich. Lilla ist ganz in Ordnung, und Porcia auch. Obwohl mir kleine Mädchen immer ein Rätsel sind.«
»Laß dich dadurch nicht verdrießen, Marcus Livius!« Silo lächelte. »Eines Tages werden diese Kinder Männer und Frauen sein. Dann kann man sie wenigstens aufgrund ihrer Fähigkeiten mögen oder ablehnen. Warum machst du mich nicht mit ihnen bekannt? Ich gebe zu, daß ich ganz neugierig bin, den gerupften Geier und die kleine Spionin kennenzulernen. Obwohl es doch irgendwie ernüchternd ist, daß man Menschen, die Fehler haben, am interessantesten findet.«
So verbrachte Silo den Rest seines ersten Tages in Rom damit, Drusus’ Angehörige kennenzulernen. Am nächsten Tag kam das Gespräch der beiden Freunde auf die Situation in Italien.
»Ich beabsichtige, Anfang November als Volkstribun zu kandidieren, Quintus Poppaedius«, sagte Drusus.
Silo sah ihn verdutzt an, was für einen Marser recht ungewöhnlich war. »Obwohl du bereits
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