MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Er war einige Stunden zuvor gestorben, auf dem Höhepunkt seiner Karriere und im Zenit seines Ruhms.
Sein Tod war für Drusus, Marius, Scaurus, Scaevola und alle, die ihren Plänen nahestanden, eine Katastrophe. Für Philippus und Caepio war er ein Zeichen der Götter zu ihren Gunsten. Philippus und Caepio mischten sich mit neuer Begeisterung unter die Hinterbänkler des Senats, redeten ihnen zu und umschmeichelten sie. Als der Senat sich nach den römischen Spielen wieder versammelte, fühlten sie sich gut vorbereitet.
»Ich beantrage noch einmal die Abstimmung über die Frage, ob die Gesetze des Marcus Livius Drusus weiterhin gelten sollen«, sagte Philippus sanft. Offenbar war er entschlossen, sich wie ein Musterkonsul zu benehmen. »Es ist mir klar, daß euch die ständige Opposition gegen die Gesetze des Marcus Livius ermüdet, und es ist mir auch klar, daß die meisten von euch die Gesetze des Marcus Livius für in jeder Beziehung gültig halten. Ich behaupte nicht, daß die religiösen Auspizien nicht beachtet wurden; ich behaupte nicht, daß die Verfahren in den Komitien nicht legal durchgeführt wurden, und ich sage auch nicht, daß die Zustimmung des Senats nicht erfolgte, bevor die Gesetze der Volksversammlung vorgelegt wurden.«
Philippus trat vor das Podium und fuhr lauter fort: »Dennoch gibt es ein religiöses Hindernis! Ein religiöses Hindernis, das so groß und unheilvoll ist, daß wir es nicht guten Gewissens ignorieren können. Warum die Götter solche Spiele mit uns treiben, übersteigt meinen Horizont, ich bin kein Experte. Aber folgende Tatsache bleibt bestehen: Während die Vorzeichen und Omen vor jeder einzelnen Volksversammlung, die Marcus Livius durchführte, als günstig erkannt wurden, ereigneten sich überall in Italien göttliche Zeichen, die auf einen gewaltigen Zorn der Götter hinweisen. Ich bin selbst Augur, Senatoren, und mir ist völlig klar, daß ein Frevel begangen wurde.«
Philippus streckte die Hand aus. Ein Senatsbeamter legte eine Schriftrolle hinein, und Philippus rollte sie auf.
»Am vierzehnten Tag vor den Kalenden des Januar verkündete Marcus Livius im Senat das Gesetz, in dem das Gerichtswesen neu geordnet wurde, und das Gesetz, durch das der Senat vergrößert wurde. Am selben Tag gingen die Staatssklaven zum Tempel des Saturn, um ihn für die Festlichkeiten des nächsten Tages vorzubereiten. Denn am nächsten Tag wurden, wie ihr euch erinnern werdet, die Saturnalien eröffnet. Die Sklaven entdeckten, daß die Wolltücher, in die die Statue des Saturn eingewickelt war, sich mit Öl vollgesogen hatten. Auf dem Boden war eine Öllache, aber das Innere der Statue war trocken geblieben. Niemand zweifelte daran, daß das Öl erst vor kurzem ausgeflossen war. Und alle waren überzeugt, daß Saturn über irgend etwas erzürnt war!
An dem Tag, an dem Marcus Livius Drusus die Gesetze über das Gerichtswesen und die Vergrößerung des Senats in der Volksversammlung verabschieden ließ, wurde der Sklavenpriester von Nemi von einem anderen Sklaven ermordet, der daraufhin selbst Sklavenpriester wurde, wie es dort Brauch ist. Aber der Wasserstand im heiligen See von Nemi fiel plötzlich um eine ganze Handbreit, und der neue Sklavenpriester starb ohne jede äußere Gewaltanwendung. Ein furchtbares Omen.
An dem Tag, an dem Marcus Livius Drusus dem Senat das Gesetz vorlegte, durch das das Staatsland abgeschafft wurde, ging über dem ager Campanus ein blutiger Regen nieder und der ager publicus Etrurias war einer Froschplage ausgesetzt.
An dem Tag, an dem die Volksversammlung die lex Livia agraria verabschiedete, entdeckten die Priester von Lanuvium, daß die heiligen Schilde von Mäusen angeknabbert worden waren — ein furchtbares Vorzeichen, das sofort dem Priesterkollegium gemeldet wurde.
An dem Tag, an dem der Volkstribun Saufeius seine fünfköpfige Kommission zusammenrief, um mit der Verteilung des ager von Italien und Sizilien zu beginnen, schlug in den Tempel der Pietas auf dem Marsfeld ein Blitz ein; der Tempel wurde schwer zerstört.
An dem Tag, an dem das Getreidegesetz des Marcus Livius Drusus in der Volksversammlung verabschiedet wurde, entdeckte man, daß die Statue der Diva Angerona stark geschwitzt hatte. Die Bandage, die ihren Mund verschloß, war ihr auf den Hals hinuntergerutscht, und manche Leute schworen, sie habe den geheimen Namen Roms geflüstert, voll Freude darüber, daß sie endlich sprechen konnte.
An dem Tag, an dem Marcus Livius Drusus die
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