MoR 02 - Eine Krone aus Gras
vorbehalten. Es darf nicht Menschen verliehen werden, die nicht durch ihre Familie, ihre Abstammung oder eine legale Verfügung Anspruch darauf erheben können. Wir sind die Kinder des Quirinus, die Italiker sind es nicht. Und das, Konsul, ist alles, was ich zu sagen habe. Es gibt nichts mehr zu sagen.«
»Es gibt noch viel mehr zu sagen!« entgegnete Drusus. »Ich bestreite nicht, daß wir die Kinder des Quirinus sind. Aber Quirinus ist kein römischer Gott! Er ist ein Gott der Sabiner, deshalb lebt er auf dem Quirinal, auf dem einst die Stadt der Sabiner stand. Mit anderen Worten, Lucius Marcius: Quirinus ist ein italischer Gott! Romulus brachte ihn zu uns, Romulus machte ihn zu einem römischen Gott. Aber Quirinus gehört auch dem italischen Volk. Wie können wir Rom verraten, wenn wir Rom mächtiger machen wollen? Denn das tun wir, wenn wir das Bürgerrecht allen Italikern zugestehen. Rom wird dann Italien sein und Italien Rom, und zusammen werden beide mächtiger sein als jetzt. Was uns als Nachkommen des Romulus zusteht, wird immer ausschließlich uns gehören. Das kann niemals anderen gehören. Aber Romulus hat uns nicht das Bürgerrecht gegeben! Und wir haben das Bürgerrecht längst vielen anderen verliehen, die nicht für sich beanspruchen können, Kinder des Romulus, Eingeborene der Stadt Rom zu sein. Wenn das Römertum hier zur Diskussion steht, warum sitzt dann Quintus Varius Severus Hybrida Sucronensis unter uns in dieser ehrwürdigen Versammlung? Ich bemerke, Quintus Servilius Caepio, daß du seinen Namen nie erwähnt hast, wann immer du und Lucius Marcius versuchten, das Römertum bestimmter Mitglieder des Senats in Zweifel zu ziehen! Doch Quintus Varius ist gewiß kein Römer! Er hat diese Stadt erst gesehen und erst dann auf einer Versammlung Lateinisch gesprochen, als er über zwanzig Jahre alt war! Und doch sitzt er durch die Gnade des Quirinus im Senat von Rom — ein Mann, der in seiner Denkweise, seiner Sprache, seiner Weltanschauung viel weniger römisch ist als ein beliebiger Italiker! Wenn wir, wie es Lucius Marcius Philippus verlangt, das römische Bürgerrecht auf jene Männer unter uns beschränken, die aufgrund ihrer Familie, ihrer Abstammung oder einer legalen Verfügung Anspruch darauf haben, dann wäre Quintus Varius Severius Hybrida Sucronensis der erste Mann, der dieses Haus und die Stadt Rom verlassen müßte. Er ist der Ausländer!«
Natürlich sprang Varius fluchend auf, obwohl er als Senator zweiten Ranges, als pedarius, kein Rederecht hatte.
Sextus Caesar holte tief Luft und brüllte dann so laut nach Ordnung, daß tatsächlich wieder Ruhe eintrat. »Marcus Aemilius, Senatsvorsitzender, ich sehe, daß du das Wort ergreifen willst. Du kannst jetzt reden.«
Wütend stand Scaurus auf. »Ich werde nicht zulassen, daß dieses Haus zu einem Hühnerhof verkommt, nur weil wir schändliche kurulische Magistraten erdulden müssen, die nicht einmal dazu taugen, den Kot von der Straße zu kehren! Und ich werde keine Anspielungen auf das Recht irgendeines Senators dulden, hier in diesem ehrwürdigen Hause zu sitzen! Ich will nur eines sagen: Wenn dieses Haus fortbestehen soll — und wenn Rom fortbestehen soll! —, müssen wir mit dem Bürgerrecht gegenüber den Italikern so liberal sein, wie wir gegenüber bestimmten Männern liberal waren, die heute in diesem Hause sitzen.«
Aber Philippus war bereits aufgesprungen. »Sextus Julius, du hast dem Senatsvorsitzenden das Wort erteilt, ohne darauf zu achten, daß ich ebenfalls sprechen wollte. Als Konsul habe ich das Recht, zuerst zu sprechen.«
Sextus Caesar sah ihn erstaunt an. »Ich dachte, du hättest bereits geendet, Lucius Marcius. Du warst also noch nicht fertig?«
»Nein.«
»Würdest du dann bitte hinter dich bringen, was immer du uns zu sagen hast? Senatsvorsitzender, macht es dir etwas aus zu warten, bis der Konsul gesprochen hat?«
»Selbstverständlich nicht«, sagte Scaurus liebenswürdig und setzte sich.
»Ich stelle den Antrag«, sagte Philippus gewichtig, »daß der Senat jedes einzelne Gesetz, das Marcus Livius Drusus eingebracht hat, außer Kraft setzt. Keines dieser Gesetze ist legal verabschiedet worden.«
»Ausgesprochener Unfug!« rief Scaurus verärgert. »In der Geschichte des Senats hat noch nie ein Volkstribun bei seinen Gesetzesvorschlägen mehr auf die gesetzlichen Vorschriften geachtet als Marcus Livius Drusus!«
»Seine Gesetze sind nichtsdestoweniger ungültig!« erklärte Philippus, dessen Nase
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