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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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offenbar zu schmerzen begonnen hatte, denn er atmete heftig und fingerte an dem unförmigen Klumpen in seinem Gesicht herum. »Die Götter haben ihr Mißfallen bekundet.«
    »Die Versammlungen, die ich einberief, haben die Billigung der Götter gefunden«, sagte Drusus gleichmütig.
    »Deine Versammlungen haben die Götter beleidigt, das zeigen die Ereignisse ganz deutlich, die sich in Italien in den letzten zehn Monaten abgespielt haben!« sagte Philippus. »Ich sage euch: Ganz Italien wird vom Zorn der Götter zerrissen!«
    »Also wirklich, Lucius Marcius! Italien war schon immer dem Zorn der Götter ausgesetzt!« sagte Scaurus gelangweilt.
    »Aber nie so sehr wie in diesem Jahr!« Philippus atmete tief ein. »Ich wiederhole den Antrag: Der Senat soll der Volksversammlung empfehlen, sämtliche Gesetze des Marcus Livius Drusus mit der Begründung zu annullieren, daß die Götter ihr Mißfallen darüber ausgedrückt hätten. Und, Sextus Julius, ich will, daß die Abstimmung durch Hammelsprung erfolgt. Jetzt sofort.«
    Scaurus und Marius runzelten die Stirn. Sie spürten, daß mehr dahinter steckte, konnten aber nicht sagen was. Es war sicher, daß Philippus verlieren würde. Weshalb hielt er dann eine so kurze und einfallslose Rede, und weshalb bestand er auf dem Hammelsprung?
    Der Hammelsprung wurde durchgeführt. Eine große Mehrheit entschied sich gegen den Antrag des Philippus, der daraufhin völlig die Fassung verlor. Er schrie und tobte, bis ihm der Speichel aus dem Mund spritzte. Der Stadtprätor Quintus Pompeius Rufus, der auf dem Podium in der Nähe saß, mußte sich die Toga über den Kopf ziehen, um sich vor dem Speichelregen zu schützen.
    »Geizkragen! Rindviecher! Schafsköpfe! Läuse! Scheißer! Arschlöcher! Kakerlaken! Knabenficker! Wichser! Aasgeier!« Das waren nur einige der Bezeichnungen, die Philippus seinen Senatskollegen an den Kopf warf.
    Sextus Caesar gab ihm Zeit, sich wieder zu beruhigen, dann gab er dem Anführer seiner Liktoren ein Zeichen. Dieser schlug sein Rutenbündel so kräftig auf den Boden, daß die Deckenbalken erzitterten.
    »Genug!« brüllte Sextus Julius. »Setz dich und sei still, Lucius Marcius, oder ich lasse dich hinauswerfen!«
    Philippus setzte sich. Er atmete heftig, und aus seiner Nase tropfte eine strohfarbene Flüssigkeit. »Götterlästerung!« heulte er. Dann blieb er still sitzen.
    »Was hat dieser Mensch bloß vor?« flüsterte Scaurus Marius zu.
    »Das wüßte ich auch gern!« brummte Marius.
    Crassus Orator erhob sich. »Ich bitte um das Wort, Sextus Julius.«
    »Bitte, Lucius Licinius.«
    »Ich möchte weder über die Italiker sprechen noch über unser kostbares römisches Bürgerrecht, noch über die Gesetze des Marcus Livius«, sagte Crassus Orator mit seiner wunderbaren, angenehmen Stimme. »Ich möchte über das Amt des Konsuls sprechen, und ich leite meine Bemerkungen mit einer Beobachtung ein: Ich habe in all den Jahren, die ich dem Senat angehöre, das Amt des Konsuls noch nie in einer Weise mißbraucht, erniedrigt und entwertet gesehen, wie dies Lucius Marcius Philippus in den letzten Tagen getan hat. Kein Mann, der sein Amt auf solche Weise mißbraucht, sollte dieses Amt — das höchste in unserem Staat! — weiterhin ausüben dürfen!
    Römischer Konsul zu sein bedeutet eine Erhöhung bis in die Nähe unserer Götter, weit höher als irgendein König. Der Konsul wird gewählt, Drohungen und Rachegedanken dürfen dabei keine Rolle spielen. Der Konsul ist für den Zeitraum eines Jahres unantastbar. Sein Imperium ist größer als das eines Statthalters. Er ist der Oberbefehlshaber der Heere, er ist der Führer der Regierung, er ist das Oberhaupt der Staatskasse — und er ist die Verkörperung all dessen, was die Republik Rom bedeutet! Er mag ein Patrizier oder homo novus sein, er mag sagenhaft reich oder verhältnismäßig arm sein, er ist der Konsul. Nur ein Mann kommt ihm gleich, und dieser Mann ist sein Kollege als Konsul. Die Namen beider werden in den Konsulatskalender eingetragen und glänzen dort für alle Zeiten.
    Ich war Konsul. Ungefähr dreißig Männer, die heute hier sitzen, waren Konsuln. Einige von ihnen waren auch Zensoren. Diese Männer will ich fragen, was sie jetzt, in diesem Augenblick, empfinden: Was empfindet ihr jetzt, ihr ehemaligen Konsuln, wenn ihr daran denkt, wie Lucius Mucius sich seit dem Beginn dieses Monats verhalten hat? Empfindet ihr, was ich emfinde? Fühlt ihr euch beschmutzt, entwürdigt, erniedrigt? Glaubt ihr,

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