MoR 04 - Caesars Frauen
Morgen war der Platz besetzt von Cicero und seinen zwölf Liktoren, dem urbanen Prätor Metellus Celer und seinen sechs Liktoren, den Prätoren Otho und Cosconius und ihren zwölf Liktoren sowie den drei Volkstribunen Rullus, Ampius und Caecilius Rufus, einem Mann aus dem Anhang des Catulus.
Es wehte einer dieser kalten Winde, wie sie nur über das Forum wehten. Vielleicht war das der Grund dafür, daß Cicero zwischen den mächtigen Falten seiner purpurrot eingefaßten Toga ein wenig verfroren und verloren aussah. Er galt zwar als der größte Redner, den Rom jemals hervorgebracht hatte, aber die Rostra paßte nicht annähernd so gut zu seinem Stil wie die wesentlich intimeren Auditorien des Senats und der Gerichte, und dessen war er sich nur allzu bewußt. Dem schwülstigen, exhibitionistischen Stil eines Hortensius kam die Rostra weit mehr entgegen, aber Cicero fühlte sich nicht wohl bei der Vorstellung, seinen Redestil dem hortensischen Maßstab anzupassen. Es war ja gar nicht genügend Zeit, um eine richtige Rede zu entwickeln. Er würde einfach darauflos wettern müssen.
»Praetor urbanus«, rief Rullus dem Metellus Celer zu, »legst du das Senatus Consultum Ultimum, das zur Zeit wegen der Revolte in Etruria und der Verschwörung in Rom in Kraft ist, auf die gleiche Weise wie unser Erster Konsul aus?«
»Nein, Tribun, das tue ich nicht«, erwiderte Celer mit Nachdruck.
»Warum nicht?«
»Weil ich keinem Beschluß zustimme, der einen römischen Volkstribun daran hindert, die Rechte auszuüben, die ihm von der römischen Plebs verliehen wurden!«
Bei diesen Worten taten Caesars Anhänger lauthals ihre Zustimmung kund.
»Dann bist du also der Meinung, praetor urbanus«, fuhr Rullus fort, »daß dieses Senatus Consultum Ultimum, das zur Zeit in Kraft ist, es keinem Tribunen verbieten kann, in dieser Versammlung heute vormittag sein Veto einzulegen?«
»Ja, dieser Meinung bin ich!« rief Celer.
Während die Unruhe in der Menge zunahm, rückte Otho näher an Rullus und Metellus Celer heran. »Marcus Cicero hat recht!« rief er. »Marcus Cicero ist der größte Rechtsgelehrte unserer Zeit!«
»Marcus Cicero ist ein Stück Dreck!« brüllte jemand.
»Diktator!« grölte ein anderer. »Dreckiger Diktator!«
»Cicero ist ein Dreckskerl! Cicero ist ein Dreckskerl!«
»Ruhe! Ich fordere Ruhe!« keifte Cicero, der sich vor der Menge zu fürchten begann.
»Cicero ist ein Lump! Cicero ist ein Lump! Diktator! Diktator!«
»Ruhe! Ruhe!«
»Ruhe«, rief Rullus, »gibt es erst dann wieder, wenn es den Volkstribunen gestatten wird, ihre Rechte auszuüben, ohne daß der Erste Konsul sie daran hindert!« Er trat bis an den Rand der Rostra vor und blickte hinunter in die Komitien. »Quirites, ich schlage vor, wir ordnen per Gesetz an, daß dieses Senatus Consultum Ultimum, das unser Erster Konsul in den vergangenen Tagen so wirksam eingesetzt hat, einer genauen Prüfung unterzogen wird! Immerhin haben Männer deswegen ihr Leben lassen müssen! Und jetzt will man uns weismachen, daß gewählte Volkstribunen ihr Veto nicht mehr einlegen dürfen! Jetzt will man die Volkstribunen wieder zu den Marionetten degradieren, die sie unter Sullas Verfassung waren! Soll das heutige Debakel nur ein Vorspiel zu einem neuen Sulla sein, einem Sulla in der Gestalt dieses Marktschreiers, der sein Senatus Consultum Ultimum verteidigt? Er schwingt es wie einen Zauberstab! Simsalabim! Und schon haben alle Hindernisse sich in Luft aufgelöst. Man erlasse ein Senatus Consultum Ultimum, mache die Leute mundtot, die man ohnehin schon umgebracht hat, beraube die Römer ihres Rechts, sich in ihren Tribus zu versammeln, um Gesetze zu erlassen oder ihr Veto dagegen einzulegen, und schaffe obendrein noch den Strafprozeß ab! Fünf Männer haben ohne Prozeß sterben müssen, ein anderer Mann steht zur Stunde auf dem Marsfeld vor Gericht, und unser neuer Diktator, der Erste Konsul, benutzt sein Senatus Consultum Ultimum, um geltendes Recht zu unterwandern und uns alle zu Sklaven zu machen! Wir beherrschen die Welt, aber dieser Diktator will uns beherrschen! Von einer ehrenwerten Versammlung römischer Männer wurde mir das Recht verliehen, mein Veto einzulegen, aber unser neuer Diktator sagt, daß ich es nicht ausüben darf!« Voller Haß wandte er sich an Cicero. »Was hast du als nächstes vor, Diktator? Willst du mich ins Tullianum schicken und mir ohne Prozeß den Hals brechen lassen? Ohne Prozeß? Ohne Prozeß? OHNE PROZESS?«
Jemand in den
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