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MoR 04 - Caesars Frauen

Titel: MoR 04 - Caesars Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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seiner Amtsgewalt ausstatteten.
    Noch am selben Tag erschien zur Mittagsstunde eine kleine Gruppe wichtig aussehender Männer vor dem Tribunal des Lucius Calpurnius Piso, gerade noch rechtzeitig, denn eben wollte der Stadtprätor zu seinem längst fälligen Mittagsmahl aufbrechen. In Begleitung der Männer befand sich eine größere Anzahl recht zwielichtiger Individuen, die sogleich ausschwärmten und die herumstehenden Neugierigen höflich aber bestimmt aus der Hörweite des Tribunals vertrieben. Nachdem für Geheimhaltung gesorgt war, verlangte der Sprecher der Gruppe daß die fünf Millionen Sesterzen, die Gaius Julius Caesar als Stipendium gewährt worden waren, zu ihren Gunsten als Teilzahlung seiner Schulden gepfändet würden.
    Dieser Calpurnius Piso war aus anderem Holz als sein Vetter Gaius Piso. Lucius Calpurnius Piso war der Enkelsohn und Sohn zweier Männer, die mit der Bewaffnung der römischen Legionen ein gigantisches Vermögen erworben hatten — und er war außerdem ein naher Verwandter Caesars. Seine Mutter und seine Ehefrau waren beide Rutilias, und Caesars Großmutter war auch eine Rutilia aus demselben Zweig der Familie gewesen. Lucius Piso und Caesar begegneten sich nicht gerade häufig, aber im Senat stimmten sie oft für dieselben Dinge, und außerdem mochten sie sich.
    Und so kam es, daß der gegenwärtige Stadtprätor Lucius Piso die kleine Gruppe von Gläubigern mit finsterem Blick musterte und seine Entscheidung aufschob, um jedes einzelne Blatt des umfangreichen Stapels von Papieren, den man ihm vorlegte, einer genauen Prüfung zu unterziehen. Der finstere Blick eines Lucius Piso verfehlte seine Wirkung nie, denn er war ein sehr dunkelhäutiger Mann mit gewaltigen, borstigen Augenbrauen, ein Hüne von Gestalt. Und wenn er seiner gestrengen Miene noch mit einer seiner Grimassen Nachdruck verlieh und dabei seine Zähne entblößte — ein paar von ihnen waren schwarz, andere von schmutzigem Gelb —, dann wich ein Zeuge erst einmal erschrocken zurück, denn der Stadtprätor wirkte auf nicht wenige seiner Mitmenschen wie ein wildes, menschenfressendes Ungetüm.
    Natürlich hatten die Gläubiger mit einer sofortigen Entscheidung gerechnet, aber diejenigen unter ihnen, die bereits protestieren und dem Stadtprätor den guten Rat geben wollten, sich ein bißchen zu beeilen, da sie ja schließlich Männer mit Einfluß seien, zogen es jetzt vor, den Mund zu halten und — wie angeordnet — in zwei Tagen wiederzukommen.
    Lucius Piso war nicht auf den Kopf gefallen; also schloß er sein Tribunal nicht gleich nach dem Abgang der verärgerten Kläger, heute würde das Mittagsmahl eben warten müssen. Er führte seine Geschäfte fort, bis die Sonne untergehen wollte und seine wenigen Gehilfen das Gähnen nicht mehr unterdrücken konnten. Um diese Zeit hielten sich kaum noch Leute auf dem unteren Forum auf, nur ein paar ziemlich verdächtige Gestalten drückten sich auf den oberen Rängen des Komitiums herum. Eintreiber von Geldverleihern? Zweifellos.
    Lucius Piso beriet sich kurz mit seinen sechs Liktoren, dann begab er sich mit ihnen die Via Sacra hinauf in Richtung Velia. Am Domus Publica ging er vorbei, ohne es eines Blickes zu würdigen. Vor dem Eingang zum Porticus Margaritaria blieb er stehen und bückte sich, um sich an seinem Schuh zu schaffen zu machen. Seine Liktoren versammelten sich um ihn herum, es sah so aus, als wollten sie ihm helfen. Dann richtete er sich wieder auf und setzte seinen Weg fort, immer noch ein ganzes Stück vor den fragwürdigen Individuen, die ebenfalls stehengeblieben waren.
    Was sie von da unten nicht sehen konnten: Die hochgewachsene Gestalt in der purpurrot eingefaßten Toga wurde jetzt nur noch von fünf Liktoren begleitet; Lucius Piso hatte in Windeseile mit seinem größten Liktor die Toga getauscht und war im Porticus Margaritaria verschwunden. Dort hatte er einen Durchgang zur Rückseite des Domus Publica entdeckt und trat jetzt hinaus auf einen kleinen Platz, auf den die Ladenbesitzer ihren Abfall warfen. Er zog die schlichte weiße Toga des Liktors aus, wickelte sie zusammen und steckte sie in eine leere Kiste; über die Mauer von Caesars Peristylium kletterte es sich besser ohne Toga.
    »Ich will doch hoffen«, sagte er, als er nur mit einer Tunika bekleidet, in Caesars Arbeitszimmer trat, »daß du auch einen trinkbaren Wein in dieser ausnehmend eleganten Flasche hast.«
    Nur wenigen Menschen war es vergönnt gewesen, einen fassungslosen Caesar zu Gesicht

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