MoR 04 - Caesars Frauen
Fimbrianer. Sie aßen Haferschleim und trockenes Brot
wie die Fimbrianer. Sie schliefen auf der Erde, deckten sich mit einem wollenen Mantel zu und formten sich ihr Kopfkissen aus Erde — wie die Fimbrianer. Sie badeten in eisigen Bächen oder zogen es vor zu stinken — wie die Fimbrianer. Für Lucullus war gut genug, was für die Fimbrianer gut genug war.
Aber das galt nicht für Publius Clodius, der bereits wenige Tage nach dem Abmarsch aus Amisus seine familiäre Beziehung zu Lucullus in die Waagschale warf und sich bitter beklagte.
Die blaßgrauen Augen des Feldherrn musterten ihn ausdruckslos; sie waren kälter als das Tauwetter, bei dem seine Armee gerade eine Landschaft durchquerte. »Wenn du es gemütlicher haben willst, Clodius, dann geh nach Hause«, sagte er.
»Ich will nicht nach Hause, aber ich will mehr Bequemlichkeit!« erwiderte Clodius.
»Entweder — oder. Beides gibt’s bei mir nicht.« Und damit wandte sein Schwager sich verächtlich von ihm ab.
Das war das letzte Gespräch, das Clodius mit ihm führte. Und auch die kleine Gruppe von Legaten und Militärtribunen, die den Feldherrn umgaben, luden nicht gerade zu jener Art Geselligkeit ein, die Clodius jetzt schmerzlich vermißte. Gute Freunde, Wein, Würfel, Weiber und ein paar derbe Späße; danach sehnte sich Clodius, während die Tage sich in Jahre zu verwandeln schienen und die Landschaft so rauh und unnahbar wurde wie Lucullus.
In Eusebeia Mazaca machten sie ein paar Tage Rast; Ariobarzanes Philoromaios, der König, gab dem traurigen Heereszug mit, was er entbehren konnte, und wünschte Lucullus gutes Gelingen.
Dann ging es weiter, durch eine Landschaft, die von Felsspalten und Abgründen zerrissen war, einem Labyrinth aus Tuffsäulen und Felsblöcken, die in prekärem Gleichgewicht auf fragilen Steinvorsprüngen thronten. Sie mußten doppelt so weit marschieren, um diese Abgründe zu umgehen, aber Lucullus trottete ungerührt weiter und forderte ein tägliches Marschpensum von mindestens dreißig Meilen. Sie marschierten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, bauten das Lager im Halbdunkel auf und im Halbdunkel wieder ab — jeden Abend ein richtiges befestigtes Lager. Vor wem schützen wir uns? wollte Clodius oft in den blassen Himmel schreien, der so hoch über ihnen schwebte.
Schließlich kamen sie bei Tomisa an den Euphrat, der zu einem reißenden Strom aus schauerlichem, milchigblauem Schmelzwasser angeschwollen war. Clodius stieß einen Seufzer der Erleichterung aus — jetzt blieb dem Feldherrn keine Wahl. Er mußte eine Marschpause verordnen und abwarten, bis die Strömung wieder abgeschwollen war. Und was passierte wirklich? In dem Augenblick, wo die Armee rastete, begann der Euphrat sich wieder zu beruhigen, langsamer zu fließen, sich in eine fügsame, schiffbare Wasserstraße zu verwandeln. Lucullus und die Fimbrianer schifften sich nach Sophene ein, und sobald der letzte Mann das andere Ufer erreicht hatte, wurde aus dem Fluß wieder ein reißender Strom.
»Wir haben Glück«, stellte Lucullus zufrieden fest. »Und obendrein ist es ein gutes Omen.«
Das Land, durch das der Weg jetzt führte, war ein wenig freundlicher, die Berge waren nicht so hoch, saftiges Gras und wilder Spargel wuchsen auf den Hängen, und in schattigen Winkeln, wo ihre Wurzeln ein wenig Feuchtigkeit fanden, wuchsen sogar Bäume. Und was tat Lucullus? Er befahl seinen Legionären, in solch leichtem Gelände und gestärkt durch den Spargel, ein höheres Tempo einzuschlagen! Clodius hatte immer von sich geglaubt, er sei ebensogut in Form und so beweglich wie jeder andere Römer. Doch dieser Lucullus, der fast fünfzig Jahre alt war, war hundertmal ausdauernder als der zweiundzwanzigjährige Publius Clodius.
Sie überquerten den Tigris. Nach dem Euphrat war das ein Kinderspiel, denn er war weder so breit noch so reißend. Und dann, nachdem sie in zwei Monaten mehr als zweitausend Meilen zurückgelegt hatten, kam die Armee des Lucullus in Sichtweite der Stadt Tigranokerta.
Dreißig Jahre zuvor hatte sie noch gar nicht existiert. König Tigranes hatte sie erbauen lassen, um sich seinen Traum vom ewigen Ruhm und einem noch viel größeren Reich zu erfüllen — eine phantastische, steinerne Stadt mit hohen Mauern, Zitadellen, Türmen, Plätzen und Höfen, hängenden Gärten, herrlich glänzenden aquamarinfarbenen und leuchtendgelben und knallroten Fliesen, riesigen Standbildern von geflügelten Stieren, Löwen und bärtigen Königen unter hohen
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