MoR 04 - Caesars Frauen
vom vielen Wein, der Geldbeutel war leer vom vielen Pech beim Würfelspiel — und war seines gegenwärtigen Lebens so überdrüssig, daß er es keinen Augenblick länger ertragen wollte. Er mußte etwas tun! Deshalb beschloß er, dorthin zu gehen, wo man etwas tun konnte. Er wollte nach Osten gehen und sich dem persönlichen Stab seines Schwagers Lucius Licinius Lucullus anschließen. O nein, nicht um sich Ruhm als tapferer, hervorragender Soldat zu erwerben! Militärische Ochsentouren waren ganz und gar nicht Clodius’ Sache. Aber was mochten sich einem als Angehöriger von Lucullus’ persönlichem Stab nicht alles für Gelegenheiten bieten? Sein großer Bruder hatte sich die Bewunderung der Römer doch auch nicht durch soldatische Heldentaten erworben, sondern indem er Tigranes in Antiochia so viel Ärger gemacht hatte, daß der König der Könige es schließlich bereuen mußte, daß er Appius Claudius Pulcher in die Schranken hatte weisen wollen, indem er ihm monatelang keine Audienz gewährte.
Und so reiste Publius Clodius nach Osten, kurz bevor sein Bruder von dort zurückerwartet wurde; das war zu Beginn des Jahres, welches auf das gemeinsame Konsulat von Pompeius und Crassus folgte. Es war dasselbe Jahr, in dem Caesar nach Hispania Ulterior reiste, um dort das Amt des Quästors zu bekleiden.
Nachdem er einen Weg gewählt hatte, auf dem er seinem Bruder nicht begegnen würde, erreichte Clodius den Hellespont und mußte erfahren, daß Lucullus damit beschäftigt war, Pontus, das Königreich des Mithridates, zu befrieden, das er soeben erobert hatte. Nachdem er die schmale Meeresenge nach Asia überquert hatte, mußte er auf der Suche nach Lucullus kreuz und quer durch das Land reisen. Clodius glaubte seinen Schwager zu kennen: ein urbaner, korrekter Aristokrat mit einer sprichwörtlichen Liebe zu den angenehmen Seiten des Lebens, gutem Essen, gutem Wein und fröhlicher Gesellschaft, zudem ein sehr reicher Mann, der gerade dabei war, sein Vermögen rapide zu vermehren. Für solche Vorgesetzten hatte Clodius etwas übrig. Ein Feldzug in Lucullus’ persönlichem Stab mußte eine höchst erquickliche Angelegenheit sein.
Er fand Lucullus in Amisus, einer prächtigen Stadt am Schwarzen Meer, im Herzen von Pontus. Amisus hatte der Belagerung widerstanden, auch wenn es dabei schwer beschädigt worden war; Lucullus war mit dem Wiederaufbau beschäftigt und versuchte, die Bewohner mit der römischen Herrschaft auszusöhnen.
Als Publius Clodius über seine Schwelle trat, nahm Lucullus ihm den Stoß offizieller Briefe ab (die Clodius geöffnet und mit großer Schadenfreude gelesen hatte) und wollte ihn am liebsten gleich wieder loswerden. Er gab seinem jüngsten Schwager die zerstreute Anweisung, sich dem Legaten Sornatius nützlich zu machen, und wandte sich sogleich wieder dem zu, was ihn am meisten beschäftigte: der bevorstehenden Invasion von Armenien, dem Königreich des Tigranes.
Erzürnt über diese offensichtliche Geringschätzung, schlich Clodius sich davon, aber nicht etwa, um jemandem seine Dienste anzubieten, schon gar nicht einem Niemand wie diesem Sornatius. Und so kam es, daß Clodius die Gassen und Seitenwege von Amisus erkundete, während Lucullus seine kleine Armee marschbereit machte. Natürlich sprach er fließend Griechisch; es hinderte ihn also nichts daran, mit jedem Freundschaft zu schließen, der ihm über den Weg lief, und viele waren fasziniert von einem Mann, der so ungewöhnlich, so egalitär eingestellt und so seltsam unrömisch zu sein schien.
Und so erfuhr er auch einiges über eine Seite des Lucullus, die er bis jetzt nicht gekannt hatte — über seine Armee und seine bisherigen Feldzüge.
König Mithridates war zwei Jahre zuvor, als er der erbarmungslosen römischen Kriegsführung nicht mehr gewachsen war, an den Hof seines Schwagers Tigranes geflohen; ihm fehlten die zweihundertfünfzigtausend erfahrenen Soldaten, die er im Kaukasus auf einer sinnlosen Strafexpedition gegen die albanischen Wilden verloren hatte, die über Colchis hergefallen waren. Mithridates hatte zwanzig Monate gebraucht, um Tigranes zu einem Treffen zu bewegen, und noch länger, um ihn dazu zu bringen, ihm bei der Rückeroberung seiner verlorenen Länder Pontus, Kappadokien, Armenia Parva und Galatien zu helfen.
Natürlich hatte Lucullus seine Spione und wußte nur zu gut, daß die beiden Könige wieder versöhnt waren. Aber statt darauf zu warten, daß sie in Pontus einmarschieren würden, hatte
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