MoR 04 - Caesars Frauen
erhöhten Stellung begriffen zu haben. Und es hatte auch keiner der armenischen Befehlshaber daran gedacht, eine Strategie oder eine Taktik zu entwickeln, das wurde Lucullus sehr bald klar, als die ungestümen Kämpfer seinen Hügel heraufgestürmt kamen. Er ließ das Ungeheuer los, und alles andere ergab sich von selbst.
In aller Ruhe verabreichte Lucullus ihnen von der Spitze des Hügels aus eine grausame Bestrafung; seine einzige Sorge war es, daß die Berge von Toten seine eigenen Leute behindern und den totalen Sieg vereiteln könnten. Aber als er seine galatischen Reiter losschickte, um Breschen durch die armenischen Gefallenen zu schlagen, sausten die Fimbrianer den Hügel hinunter wie Sensen durch ein Weizenfeld. Die Reihen der Armenier lösten sich auf, Tausende von Syrern und Kaukasiern gerieten zwischen die gepanzerten Kataphrakte, brachten Pferde und Reiter zu Fall und wurden dabei selbst zermalmt. Es starben viel mehr armenische Soldaten, als die wildgewordenen Fimbrianer hätten töten können.
In seinem Bericht an den römischen Senat schrieb Lucullus: »Mehr als hunderttausend tote Armenier und fünf tote Römer.«
König Tigranes mußte ein zweites Mal fliehen, und er war so fest davon überzeugt, gefangen zu werden, daß er die Tiara und das Diadem einem seiner Söhne in Verwahrung gab und den Prinzen dazu anhielt, schneller zu reiten, da er jünger und leichter sei. Der junge Mann jedoch vertraute Tiara und Diadem einem dubiosen Sklaven an, und so kam es, daß die Insignien der armenischen Oberhoheit sich zwei Tage darauf in Lucullus’ Besitz befanden.
Die Griechen, die man gezwungen hatte, in Tigranokerta zu leben, öffneten die Stadttore und waren so außer sich vor Freude, daß sie Lucullus auf den Schultern hineintrugen. Alle Entbehrungen gehörten der Vergangenheit an; mit ähnlicher Freude warfen die Fimbrianer sich in zärtliche Arme und weiche Betten, fraßen und soffen, hurten und plünderten. Die Beute war fürstlich. Achttausend Talente in Gold und Silber, dreißig Millionen Scheffel Weizen sowie Schätze und Kunstwerke von unermeßlicbem Wert.
Und aus dem Feldherrn wurde ein Mensch! Fasziniert beobachtete Publius Clodius, wie unter dem harten, kalten und unbarmherzigen Mann der letzten Monate wieder der Lucullus zum Vorschein kam, den er in Rom gekannt hatte. Zu seiner Erbauung stapelte man Handschriften vor ihm auf, und zu seinem Vergnügen ließ er sich Kinder bringen; nichts machte ihn glücklicher, als Mädchen im blühenden jugendlichen Alter in die Geheimnisse der Sexualität einzuweihen. Medische Mädchen, keine griechischen! Die Kriegsbeute wurde in einer feierlichen Zeremonie und mit lukullischer Fairneß aufgeteilt; jeder der fünfzehntausend Soldaten erhielt mindestens dreißigtausend Sesterzen, auch wenn das Geld natürlich erst ausgezahlt werden sollte, wenn es in harte römische Währung umgetauscht war. Der Weizen brachte zwölftausend Talente ein; der schlitzohrige Lucullus verkaufte den ganzen Haufen an Phraates, den König des Partherreichs.
Publius Clodius war nicht bereit, Lucullus die monatelangen Märsche und die Entbehrungen zu verzeihen, obwohl sein Anteil an der Beute mit hunderttausend Sesterzen recht üppig ausgefallen war. Irgendwo zwischen Eusebeia Mazaca und dem Kreuzweg bei Tomisa hatte er den Namen seines Schwagers auf die Liste derjenigen gesetzt, die noch dafür bezahlen würden, daß sie ihn beleidigt hatten. Catilina. Der kleine Fisch Cicero. Fabia. Und jetzt Lucullus. Beim Anblick des vielen Goldes und Silbers in den Tresorräumen — er hatte sogar mitgeholfen, es zu zählen — hatte er sich zunächst darauf konzentriert, herauszufinden, wie Lucullus versuchen würde, sie alle zu betrügen, wenn es um das Aufteilen der Beute ging. Dreißigtausend nur für jeden Legionär und jeden Reiter? Lächerlich! Bis er auf seinem Abakus ermittelt hatte, daß achttausend Talente geteilt durch fünfzehntausend Männer nicht mehr als dreizehntausend Sesterzen pro Mann ergaben — woher also kamen die restlichen siebzehntausend? Aus dem Verkauf des Weizens, lautete die lapidare Erklärung des Feldherrn, als Clodius ihn um Aufklärung bat.
Immerhin hatte die enttäuschende Rechenlektion Clodius auf eine Idee gebracht. Wenn er schon davon ausgegangen war, daß Lucullus seine Männer betrog — was würden sie wohl dazu sagen, wenn man unter ihnen den einen oder anderen Samen der Unzufriedenheit ausstreute?
Bis zur Besetzung von Tigranokerta hatte Clodius
Weitere Kostenlose Bücher