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MoR 04 - Caesars Frauen

Titel: MoR 04 - Caesars Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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hochangesehensten Matronen, die intakte Jungfernschaft aller drei angeklagten Vestalinnen bestätigt hatte. Die Tatsache, daß sowohl der Richter als auch die Geschworenen gegen Clodius gestimmt hatten, vergrößerte sein Unglück noch; soviel Anmaßung und wilde Angriffslust waren ungewöhnlich bei einem so jungen Mann und hatte ihren Zorn geweckt. Junge Ankläger hatten brillant, aber auch ein wenig bescheiden zu sein, das Wort »Bescheidenheit« jedoch fehlte in Clodius’ Wortschatz.
    »Laß in Zukunft die Finger von der Juristerei«, lautete Ciceros gutgemeinter Rat, nachdem alles vorbei war. Natürlich hatte Cicero als Mitglied von Pisos Verteidigungsmannschaft dem Prozeß beigewohnt, denn Fabia war die Halbschwester seiner Frau. »Du kaschierst deine Angriffslust und deine Vorurteile nicht gut genug. Dir fehlt die Distanz, die ein erfolgreicher Ankläger unbedingt haben muß.«
    Mit dieser Bemerkung machte Cicero sich nicht gerade beliebt bei Clodius, doch Cicero war nur ein kleiner Fisch. Aber Catilina sollte ihm dafür bezahlen, daß er bei Fabia den Sieg davongetragen hatte, und auch dafür, daß er noch einmal davongekommen war.
    Um alles nur noch schlimmer zu machen, schnitten ihn nach dem Prozeß auch die Leute, die er auf seiner Seite gewähnt hatte. Und obendrein handelte er sich eine der seltenen Gardinenpredigten seines Bruders Appius ein, der äußerst ungehalten und beschämt war.
    »Die Leute halten dein Handeln für pure Bosheit, mein kleiner Publius, und ich kann es ihnen nicht verdenken«, sprach Appius. »Du mußt verstehen, daß die Leute heutzutage schon beim bloßen Gedanken an das Schicksal einer verurteilten Vestalin vom nackten Entsetzen gepackt werden. Lebendig eingemauert, mit einem Krug Wasser und einem Laib Brot. Und das Schicksal der Liebhaber: auf einen spitzen Pfahl gefesselt und zu Tode gepeitscht. Entsetzlich, einfach entsetzlich! Du hättest einen ganzen Berg von unwiderlegbaren Beweisen gebraucht, um eine Verurteilung zu erreichen, und hast nicht einmal ein kleines Häuflein zusammengebracht! Alle vier Vestalinnen kommen aus mächtigen Familien, die du furchtbar gegen dich aufgebracht hast! Ich kann dir nicht helfen, Publius, aber ich kann mir selber helfen, indem ich Rom für ein paar Jahre verlasse. Ich gehe nach Osten zu Lucullus. Das möchte ich auch dir vorschlagen.«
    Doch Clodius wollte sich von niemandem den weiteren Verlauf seines Lebens vorschreiben lassen, auch nicht von seinem großen Bruder. Also grinste er höhnisch und wandte sich ab. Und damit verurteilte er sich dazu, vier Jahre lang tatenlos in einer Stadt herumzulungern, die ihn gnadenlos zurückwies, während Bruder Appius im Osten Taten vollbrachte, die allen Römern bewiesen, daß auch er ein wahrer Claudianer war, was das Unruhestiften betraf; weil seine Streiche jedoch erheblich zur Verunsicherung des König Tigranes beitrugen, wurden sie von den Römern bewundert.
    Publius Clodius dagegen konnte niemanden mehr davon überzeugen, daß er fähig war, einen richtigen Schurken anzuklagen, und die richtigen Schurken, die einen Verteidiger brauchten, pfiffen auf ihn. So manchen hätte eine solche Ablehnung dazu veranlaßt, über sich selbst nachzudenken und sein Verhalten zu ändern, aber bei Clodius addierte sie sich nur zu seinen übrigen Schwächen: Sie hinderte ihn daran, Erfahrungen auf dem Forum zu machen, und verbannte ihn in eine kleine Gruppe von frustrierten Adligen, die als die ewigen Taugenichtse angesehen wurden. Vier Jahre lang tat Clodius nicht viel anderes, als in schäbigen Tavernen herumzusitzen, Mädchen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Gruppierungen zu verführen, Würfel zu spielen und seine Unzufriedenheit mit anderen zu teilen, die einen ähnlichen Groll gegen das aristokratische Rom hegten.
    Schließlich trieb der pure Überdruß ihn zu dem Entschluß, sich mit sinnvolleren Dingen zu beschäftigen, denn eigentlich war Clodius nicht der Mann, der sich damit zufriedengab, den ganzen Tag mit ziellosem Nichtstun zu vergeuden. Er hielt sich für etwas Besonderes, also mußte er sich mit irgend etwas hervortun. Und wenn er das nicht bald in Angriff nahm, würde er so sterben, wie er gelebt hatte — vergessen und verachtet. Und das kam für ihn nicht in Frage. Es gab nur ein annehmbares Schicksal für Publius Clodius: Irgendwann wollte er der »Erste Mann in Rom« sein. Wie er das anstellen sollte, wußte er noch nicht. Jedenfalls wachte er eines Morgens auf — der Kopf schmerzte

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