MoR 05 - Rubikon
einem Satrapen regiert, der den Titel eines Surenas trägt. Die meisten sind Söhne, Neffen, Vettern, Brüder oder Onkel des Königs. Im eigentlichen Parthien läßt sich der König nie blicken; im Sommer regiert er in Ekbatana, einer Stadt in der sanften Hügellandschaft Mediens, im Winter in Seleukeia am Tigris in Mesopotamien; im Frühling und Herbst weilt er in Susa. Daß er sich fast nur in den westlichen Kegionen seines riesigen Reichs aufhält, liegt vermutlich an Rom. Uns fürchtet er nämlich, während er die Inder oder die Sericaner, zwei große Völker, offenbar für keine besondere Bedrohung hält.
Zufällig ist der von Orodes mit dem Feldzug gegen Crassus betraute Surenas von Mesopotamien ein äußerst fähiger Satrap. Während der König in Begleitung seines Sohnes Pacorus zu einem Treffen mit König Artavasdes nach Norden in die armenische Hauptstadt Artaxata reiste — begleitet von ausreichend Soldaten, um sofort willkommen geheißen zu werden — , blieb der Pahlawi Surenas in Mesopotamien, wo er ein Heer gegen uns aufstellte. Das Heer bestand aus zehntausend Bogenschützen und zweitausend Kataphrakten — alle zu Pferd.
Ein interessanter Mann, dieser Pahlawi Surenas. Knapp dreißig Jahre alt — genau wie ich — und ein Neffe des Königs. Er soll ungewöhnlich schön sein — auf eine sehr feminine Weise. Statt sich mit Frauen abzugeben, bevorzugt er dreizehnbis fünfzehnjährige Knaben, denen er, sobald sie für seinen Geschmack zu alt sind, hohe Posten in Heer oder. Verwaltung verschafft, woran bei den Parthern allerdings niemand Anstoß nimmt.
Was dem Pahlawi Surenas allerdings Sorgen bereitete — ein Umstand übrigens, der Crassus und uns anderen wohlbekannt war und der uns, wie Abgarus uns versicherte, den Sieggarantierte —, war die Tatsache, daß den berittenen Bogenschützen der Parther sehr schnell die Pfeile ausgehen. Deshalb nützt ihnen ihr ganzes Geschick, mit dem sie noch auf der Flucht rückwärts auf ihre Verfolger schießen, schon nach kurzer Zeit nichts mehr.
Um diese Scharte auszuwetzen, hatte sich der Pahlawi Surenas etwas einfallen lassen. Zunächst stellte er gewaltige Kamelzüge auf und ließ die Tragkörbe der Tiere mit Ersatzpfeilen füllen. Dann trommelte er einige tausend Sklaven zusammen und brachte ihnen bei, die Bogenschützen während der Schlacht mit neuen Pfeilen zu versorgen. Als er sich von Seleukeia aus Richtung Norden in Bewegung setzte, um uns mit seinen berittenen Bogenschützen und Kataphrakten abzufangen, folgten ihm also Tausende von mit Ersatzpfeilen beladenen Kamelen sowie Tausende von Sklaven.
Woher ich das alles wisse, höre ich Dich fragen. Ich werde es Dir zu gegebener Zeit erklären. Hier will ich nur soviel verraten, daß ich es von Antipater erfuhr, einem sehr interessanten Prinzen am jüdischen Hof, dessen Spione und Informanten überall sind.
Am Bilechas gibt es eine Weggabelung, wo die Karawanenstraße von Palmyra und Nicephorium auf die Straße nach Samosata am Oberlauf des Euphrat und die Straße über Carrhae nach Edessa und Amida trifft. Genau diese Stelle sollte Ziel unseres Marsches durch die Wüste sein.
Unser Heer bestand aus fünfunddreißigtausend römischen Fußsoldaten, tausend haeduischen und dreitausend galatischen Reitern. Die Soldaten hatten sich schon vor unserem Aufbruch in die Wildnis schrecklich gefürchtet, und ihre Angst wuchs mit jedem Tag. Um das zu merken, brauchte ich nur durch ihre Reihen zu reiten und sie reden zu hören. Nicht, daß eine Meuterei gedroht hätte. Meuternde Soldaten haben zumindest irgendein Ziel , unsere Männer dagegen hatten jede Hoffnung verloren. Sie schleppten sich nur ihrem Untergang entgegen, als wären sie Gefangene auf dem Weg zum Sklavenmarkt. Am schlimmsten erging es den Haeduern. Nie zuvor hatten sie eine wasserlose Wüste, eine solche graubraune Ödnis ohne Schatten und bar jeder Schönheit gesehen. Sie kehrten den Blick nach innen und wurden stumpf und apathisch.
Zwei Tage nach unserem Abmarsch sahen wir die ersten kleineren Trupps von Parthern, zumeist Bogenschützen, hin und wieder auch Kataphrakten. Nicht, daß sie uns behelligt hätten; sie ritten zwar recht nah an uns heran, sprengten aber sogleich wieder davon. Heute weiß ich, daß sie Verbündete von Abgarus waren und dem Pahlawi Surenas, der sein Lager vor Nicephorium am Zusammenfluß von Bilechas und Euphrat aufgeschlagen hatte, Bericht über uns erstatteten.
Vier Tage vor den Iden des Juni erreichten wir den
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