MoR 05 - Rubikon
meiner Ansicht nach nur ein vorgeschobener Grund, denn zu keiner Zeit konnte ich bei den Legionären das geringste Anzeichen von Begeisterung entdecken.
Zutiefst verstimmt verließ König Artavasdes daraufhin Antiochia und machte sich auf den Heimweg. Zweifellos hatte er gehofft, daß ihm ein Bündnis mit Rom zum Thron des Partherreiches verhelfen würde. Nach seiner Zurückweisung beschloß er jedoch, künftig mit den Parthern gemeinsame Sache zu machen. Abgarus ließ er als Spion in Antiochia zurück, und von da an war der Feind über jeden Zug des Crassus unterrichtet.
Im März traf schließlich eine Gesandtschaft des Partherkönigs Orodes ein. Ihr Anführer war ein hochbetagter Mann namens Vagises. Wahrlich ein wunderlicher Anblick, diese partbischen Adligen, mit ihren vom Kinn bis zu den Schultern in spiralförmige Goldmanschetten gezwängten Hälsen, ihren runden, randlosen, mit Perlen übersäten Hüten, die sie wie umgestülpte Schüsseln auf dem Kopf tragen, ihren falschen Bärten, die an um die Ohren gewickelten Golddrähten hängen, und ihren prachtvollen, über und über mit funkelnden Juwelen und Perlen besetzten, goldgewirkten Gewändern. Ich glaube, Crassus hatte in diesem Moment nur Augen für das Gold und die Edelsteine und Perlen. Was für Schätze mußte es erst in Babylonien geben!
Vagises forderte Crassus auf, sich an die zwischen Sulla beziehungsweise Pompeius Magnus und den Parthern ausgehandelten Verträge zu halten, laut denen das westlich des Euphrat gelegene Land römischer, das östlich gelegene parthischer Herrschaft zufiel.
Stell Dir vor, Crassus lachte den Gesandten daraufhin einfach ins Gesicht! »Mein lieber Vagises«, sagte er dann, mühsam das Lachen unterdrückend, »richte König Orodes aus, daß ich in der Tat über die Verträge nachdenken werde, aber erst, wenn ich Seleukeia am Tigris und Babylonien erobert habe!«
Vagises schwieg einen Moment lang. Dann hob er die rechte Hand und streckte Crassus die Handfläche entgegen. »Eher werden hier Haare wachsen, als daß du, Marcus Crassus, einen Fuß nach Seleukeia setzt!« rief er schneidend. Mir standen die Haare zu Berge. Seine Worte klangen wie eine grausige Prophezeiung.
Wie Du siehst, hat sich Crassus bei keinem dieser überaus empfindlichen östlichen Könige beliebt gemacht. Wenn er nicht römischer Prokonsul gewesen wäre, hätte man ihm für sein Lachen sofort den Kopf abgeschlagen. Einige von uns versuchten zwar noch ihn umzustimmen, doch dummerweise war sein Sohn Publius zugegen, der ihn vergötterte und überzeugt war, daß sein Vater gar nichts falsch machen könne. Publius plapperte Crassus also alles nach, und statt auf die Stimme der Vernunft hörte Crassus lieber auf seinen Sohn.
Anfang April verließen wir Antiochia und marschierten nach Nordosten. Die Soldaten waren mißmutig und dementsprechend langsam. Bereits das fruchtbare Tal des Orontes hatte den haeduischen Reitern erheblich zu schaffen gemacht, doch kaum hatten wir die Steppe von Cyrrhus erreicht, führten sie sich auf, als hätte ihnen jemand ein Betäubungsmittel verabreicht. Auch die dreitausend Galater waren alles andere als zuversichtlich. Tatsächlich ähnelte unser Vorrücken eher einer Trauerprozession als einem glorreichen Vormarsch. Da der Weg für die Fahrt im Wagen zu uneben war, reiste Crassus abseits des Heeres in einer Sänfte. Der Gerechtigkeit halber sei allerdings gesagt, daß er gesundheitlich offenbar nicht aufder Höhe war. Publius Crassus ließ ihn keinen Augenblick allein. Ein Feldzug ist für einen Dreiundsechzigjährigen ja auch kein Kinderspiel, vor allem dann nicht, wenn er seit fast zwanzig Jahren nicht mehr in den Krieg gezogen ist.
Abgarus, der König der Skeniter, marschierte nicht mit uns, sondern war bereits einen Monat früher aufgebrochen. Wir sollten ihn in Zeugma am Ostufer des Euphrat treffen, das wir erst Ende des Monats erreichten. Wie gesagt, wir marschierten nicht besonders schnell. Zu Beginn des Winters hat der Euphrat seinen niedrigsten Wasserstand und fließt ruhig dahin. Noch nie habe ich einen solchen Strom gesehen! So breit und tief und mächtig! Jedenfalls hätten wir ihn aufder Pontonbrücke, die von den — ich betone es ausdrücklich — tüchtigen Ingenieuren rasch zusammengebaut wurde, problemlos überqueren müssen.
Doch es sollte nicht sein — wie so vieles auf diesem zum Scheitern verurteilten Kriegszug. Plötzlich brauten sich aus dem Nichts heftige Stürme zusammen. Aus Angst, der Fluß
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